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Diener der Wahrheit und Botschafter der Liebe - Benedikt XVI. erinnert an Wesentliches

Kompetent befragt Peter Seewald den emeritierten Papst Benedikt XVI. Dieser antwortet mit der ihm eigenen Selbstdisziplin, unter Verzicht auf Selbstrechtfertigung oder Polemik, präzis und allgemeinverständlich. Er bewundert die Umgänglichkeit und Spontaneität seines Nachfolgers, der ihn vor seinem ersten öffentlichen Auftritt, den er vor dem Bildschirm gespannt erwartete, vergeblich anrief. Als "Mann der praktischen Reform" bringe der Lateinamerikaner neue Impulse. Europa, dessen Unglauben 1958 sein Aufsatz "Die neuen Heiden und die Kirche", vielen zum Ärger, diagnostiziert hat, sei "nicht mehr wie selbstverständlich das Zentrum der Weltkirche".

Das historisch Neue eines um seine Emeritierung bittenden Papstes bringt Benedikt zuerst mit der für ihn angesichts seines Alters überraschenden Wahl, letztlich mit der Diagnose seines Arztes in Verbindung, er könne nicht mehr zum Weltjugendtag in Rio de Janeiro reisen, deren "lebendige Dynamik" der Kirche "zu den schönsten Erinnerungen" seines Pontifikats gehöre. Die Jesus-Bücher rundeten überdies das Oeuvre eines Papstes als Theologe ab.

Sein Lebensweg verlief anders, als er ihn sich vorstellte. Der "bayerische Patriot", der gern als Seelsorger und Berater beim Konzil wirkte, hat 1969 seine Berufung zum Professor in Regenburg als Krönung betrachtet. Doch muss der "Diener der Wahrheit" 1977 dem Ruf als Erzbischof nach München, 1982 dem nach Rom folgen, wo Johannes Paul II. alle Bitten um Pensionierung ablehnt und er 2005 dessen Nachfolger wird. Da "der liebe Gott das andere gewollt" hat, beurteilt er seine Leistungen und seine Grenzen bescheiden. Er bleibt bei seinem Urteil über den deutschen Katholizismus und vergegenwärtigt mit Augenmaß allerlei Licht- und Schattenseiten seiner Kirche, ohne jemanden bloßzustellen. Besinnung auf das Wesentliche, besonders auf die Liebe als Kern der christlichen Botschaft sei die beste Antwort auf die Entchristlichung. Akzentsetzung und Auswahl des Entscheidenden gehören zu den Stärken dieser Gespräche.

Die Offenheit des Dialogs mit Seewald wird den Historikern als Wertkriterium gelten. Nörgler, die das Buch wegen der sie störenden Passagen nie veröffentlicht wissen wollen, haben insofern Recht, als die Antworten Benedikts XVI. das Unqualifizierte ihrer Angriffe entlarven. Die Käufer, die diese letzten Gespräche an die Spitze der Bestsellerliste lancierten, sind besser beraten, denn sie finden in diesem lesenswerten Werk authentische Informationen.

Volker Kapp
11.10.2016

 
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Das Buch:

Peter Seewald: Benedikt XVI. Letzte Gespräche. Mit Peter Seewald

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München: Droemer/Knaur 2016,
288 S., 19,99 €
ISBN: 9783426276952

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