Medien & Gesellschaft

Ist Fußball doch berechenbar?

Wenn Fu?ball und Mathematik gemeinschaftlich thematisiert werden, dann f?llt stets ein Zitat Karl-Heinz Rummenigges aus der j?ngeren Vergangenheit, als der Vorstandsvorsitzende des FC Bayern einst ver?rgert war, ?ber eine wohlkalkulierte, jedoch fehlgeschlagene Strategie seines Trainers Ottmar Hitzfeld. Da letzterer zugleich Mathematik- und Sportlehrer ist, lie? sich Rummenigge hinrei?en zu behaupten, dass Fu?ball eben keine Mathematik sei. Sicherlich hat Rummenigge nicht ganz Unrecht, da das Ergebnis eines Fu?ballspiels von vielen Zuf?llen und Unw?gbarkeiten abh?ngig ist. Doch halten seit einigen Jahren in der perfekten Vorbereitung auf den Sport derart viele wissenschaftliche Ans?tze Einzug, dass sich ein auf mathematischen und statischen Modellen beruhender Blick durchaus lohnt, um aus der Analyse Erkenntnisse abzuleiten und diese in der Vorbereitung gewinnbringend zu nutzen.

Andreas Heuer ist leidenschaftlicher Fu?ball-Fan, zugleich auch Professor f?r Physikalische Chemie an der Universit?t M?nster und Experte f?r komplexe Systeme. Somit bringt Heuer ideale Voraussetzungen mit, um sich dem Ph?nomen Fu?ball auf wissenschaftlicher und theoretischer Ebene zu n?hern. Mit seinen auf Myriaden von Daten basierenden Analysen kommt er als Statistik-Experte in seiner Kolumne auf "Spiegel Online" regelm??ig zu Wort. In "Der perfekte Tipp" pr?sentiert er nun umf?nglich seine Erkenntnisse zu den gro?en R?tseln auf dem gr?nen Rasen.

Der Autor nimmt alle Stammtisch-Mythen auf, f?r die im DSF-Doppelpass ein Obolus ins Phrasenschwein zu entrichten ist, und pr?ft sie mit statistischen Methoden auf ihren Wahrheitsgehalt. Gibt es wirklich einen Bayern-Dusel? Schie?t Geld Tore? Ist die Herbstmeisterschaft Segen oder Fluch? Gibt es einen Heimvorteil oder einen Heimnachteil? Wie oft gewinnt der Bessere? Gibt es tats?chlich sogenannte Angstgegner? Wann lohnt sich ein Trainerwechsel?

So mancher Leser wird sicherlich nach der Lekt?re des Buches ein wenig desillusioniert sein, da Heuer mit vielen Vorurteilen aufr?umt, die sich doch stets als durchschlagendes Argument in einer Diskussion anf?hren lie?en, sich nun aber lediglich als subjektives und nicht mit statistischer Signifikanz zu hinterlegendes Empfinden herausstellen. Heuer weist nach, dass im Fu?ball ob der mitunter geringen Anzahl an Toren der Zufall bez?glich des Spielausgangs tats?chlich eine erhebliche Rolle spielt. In vielen seiner statistischen Betrachtungen nutzt Heuer daher die Anzahl der Torchancen als zentrales Element, da diese eine erh?hte Aussagekraft ?ber die Qualit?t einer Mannschaft besitzen.

Bei der Frage nach der Zielgruppe f?r "Der perfekte Tipp" gibt bereits der Autor im Buch eine breitgestreute Antwort. In Konsequenz zum gew?hlten Buchtitel k?nnte man zuvorderst nat?rlich denjenigen als Ansprechpartner erwarten, der auf anstehende Fu?ball-Ergebnisse wettet oder in einer lokalen Tippgemeinschaft seine Fu?ball-Expertise unter Beweis stellen m?chte. Doch findet im vorliegenden Buch einfach jeder leidenschaftliche Fu?ball-Fan Fragen adressiert, die er schon immer gerne beantwortet wissen wollte. Dabei sollte er allerdings ein gewisses Interesse und Grundwissen bez?glich mathematischer und statistischer Fragestellungen mitbringen, um sich in die Tiefen des Buches fallen lassen zu k?nnen. Der Autor verwendet n?mlich einige statistische Methoden, die ?ber die Oberstufenmathematik hinausgehen. F?r den Mathematik-versierten Leser h?lt er die Tiefen der verwendeten statistischen Grundlagen bereit, doch auch derjenige, der sich nicht verlaufen m?chte, bekommt die Ergebnisse mundgerecht pr?sentiert. Heuer schlie?t jedes Kapitel mit einem kurzen, aber pr?gnanten Fazit, das graphisch hervorgehoben in einem grauen K?stchen platziert ist.

Der Autor zeigt im Verlauf des Buches nachvollziehbar auf, dass sich ?ber die Jahrzehnte hinweg einige statistische Ph?nomene in der Bundesliga signifikant ver?ndert haben. Heuer vergleicht die Bundesliga dar?ber hinaus sowohl mit weiteren nationalen Ligen als auch mit internationalen Spitzendivisionen. Schlie?lich zieht er f?r einige statistische Kernbetrachtungen Daten aus der Handball-Bundesliga zu Rate und kommt dabei zu dem Schluss, dass der Zufall im Fu?ball eine wesentlich gr??ere Rolle spielt als beispielsweise im Handball, wo die hohe Anzahl an Toren diesen besser im Zaume halten kann.

"Der perfekte Tipp" ist ein Paradies f?r Fu?ball-Fans mit Neigung zur Statistik. Zu Fragen, ?ber die sich bisher im Freundes- und Bekanntenkreis stundenlang ohne Ergebnis diskutieren lie?, erh?lt der Leser nun stichhaltige und statistisch belastbare Argumente, mit denen er demn?chst gl?nzen kann. Ob sich das vorliegende Buch allerdings refinanzieren l?sst, da man sich mit dem neuen Wissen bei den einschl?gigen Wettanbietern eine goldene Nase verdienen kann, bleibt dahingestellt. Denn der Leser wird mit "Der perfekte Tipp" garantiert nicht in die Lage versetzt werden, vorherzusehen, welche Mannschaft am kommenden Spieltag mit einem Querschl?ger in der 90. Minute den entscheidenden Spielzug einleiten und doch noch das Spiel drehen wird.

Christoph Mahnel
10.12.2012

 
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Das Buch:

Andreas Heuer: Der perfekte Tipp. Statistik des Fußballspiels

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Weinheim: Wiley-VCH Verlag 2012
330 S., € 24,90
ISBN: 978-3-527-33103-1

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