Medien & Gesellschaft

Von den Sorgen und Nöten eines Mustermigranten

Vielleicht liegt es daran, dass S?dkorea in unser modernen Mainstream-Popkultur bemerkenswert unterrepr?sentiert ist. Weder ist das zweigeteilte Land die Geburtsst?tte von Manga, Tamagotchi und Gameboy, noch die aufstrebende Wirtschaftsmacht aus dem Reich der Mitte, von der wir jeden Tag in der Zeitung lesen. Den Bubble Tea haben die Koreaner auch nicht erfunden, und dass der Elektronikriese Samsung ein s?dkoreanischer Konzern ist, ist nicht jedem ein Begriff. Und so wirken die immerhin ?ber 30.000 Koreaner, die in Deutschland leben, geradezu unsichtbar und stehen im Schatten auff?lligerer Migrantengruppen. Und wenn sie doch in Erscheinung treten, schlagen ihnen oft nicht nur durch die Bank alle asiatischen Stereotype auf einmal, sondern auch eine vollst?ndige Ignoranz gegen?ber ihrer Kultur entgegen.

Obwohl eine solche Behandlung keinesfalls einen Preis f?r besondere Fairness gewinnt, scheinen die kl?glich Vernachl?ssigten dennoch ihr Schicksal mit stiller Stoik zu ertragen - nur nicht Martin Hyun, der mit "Ohne Flei? kein Reis. Wie ich ein guter Deutscher wurde" sein zweites Buch ?ber eine betont selten thematisierte Seite der multikulturellen Landschaft in Deutschland vorlegt. Und Hyun m?chte nicht ohne Grund Sprachrohr einer oftmals kaum wahrgenommenen Bev?lkerungsschicht werden. Der in Krefeld geborene, koreanischst?mmige Ex-Eishockeyprofi mit mehreren Hochschulabschl?ssen hat n?mlich einiges zu erz?hlen.

Dass sich viele in Deutschland aufgewachsene Kinder koreanischer Abstammung f?r ein Jurastudium entscheiden, ist f?r ihn beispielsweise kein Wunder. Koreanische Eltern haben n?mlich eine ganz eigene Art und Weise, ihre Spr?sslinge zu H?chstleistungen anzuspornen. Dass ihre Methoden gelegentlich emotionaler Folter sehr nahe kommen, mag sein. Doch gerade diese Tatsache spornt eben dazu an, lernen zu wollen, welche Rechte man au?erhalb des elterlichen Orts der Disziplin eigentlich besitzt.

Hyun dagegen zieht es in die Welt der Diplomatie. Dank seines scharfen Verstands, seiner perfekten Deutschkenntnisse und seiner Universit?tsabschl?sse in den USA und in Br?ssel m?sste er hier eigentlich ein leichtes Spiel haben. Und trotzdem bleibt Hyun auf dem Arbeitsmarkt betont erfolglos. W?hrend seiner Bewerbungsgespr?che schlagen ihm oft Skepsis und Missgunst entgegen, und mehr als einmal wird seine Loyalit?t zu Deutschland angezweifelt. Vielen seiner Freunde und Bekannten mit Migrationshintergrund geht es ?hnlich. Hyun kommt so zu dem Entschluss, dass in keinem Land die Herkunft derma?en ?ber den Bildungsweg entscheidet wie in Deutschland - und, dass es so nicht weitergehen kann.

Was den Leser von "Ohne Flei? kein Reis" hier erwartet, ist keine dr?ge wissenschaftliche Abhandlung ?ber das viel diskutierte Thema Integration, sondern eine bunte Mischung aus autobiographisch gef?rbten Kapiteln und informativen Passagen mit essayistischem Charakter. Ebenso wichtig wie das Aufzeigen von Missst?nden in unserer keinesfalls heilen, modernen Multikulti-Welt ist Hyun zudem ein z?nftiger Schuss Humor. Wussten Sie zum Beispiel, dass der Ortsname "Schwalbach" ganz leicht zu einem Schimpfwort werden kann? Oder dass mittels unkonventioneller Mittel leicht zu beweisen ist, dass koreanische M?nner weitaus bessere Liebhaber sind, als viele glauben? Und nicht zuletzt, dass der Schauspieler Moritz Bleibtreu schlicht ein fleischgewordener Integrationstraum ist? Bei Hyuns Schilderung seiner Zeit als bettelarmer Student in Vermont, USA, wird dem geneigten B?cherfreund allerdings oft das Lachen im Halse stecken bleiben. Und auch mit eher unangenehmen Anekdoten aus seinem Leben im Spannungsfeld zweier offenbar inkompatiblen Kulturen spart Hyun nicht.

Dass auch in unserer modernen, betont internationalen Gesellschaft nicht alles Gold ist, was gl?nzt, entlarvt Martin Hyun bereits auf den ersten Seiten des Buchs. Zwar ist der Ton, den der Ex-Eishockeyprofi mit dem beeindruckenden Lebenslauf anschl?gt, betont humorvoll, doch insgesamt wirkt das Bild, das der Autor von Deutschland als Einwandererland zeichnet, eher best?rzend und aufr?ttelnd. Hyuns Talent, Unterhaltsames mit Informativem zu vereinen, ist von Anfang an offensichtlich, was aus "Ohne Flei? kein Reis. Wie ich ein guter Deutscher wurde" ein absolutes Pflichtwerk f?r jeden Leser mit Interesse f?r diese vieldiskutierte Thematik macht.

Und eins steht ebenso fest: Hyuns schillernde Beschreibung der Multikulti-Hochburg Berlin-Friedrichshain sowie sein Zusammentreffen mit Thilo Sarrazin sollte man einfach gelesen haben. Und dennoch hat der Muster-Migrant keinen Abgesang auf Deutschland als Integrationsland verfasst. Vielmehr stellt er permanent unter Beweis, dass ihn sein Optimismus noch nicht verlassen hat und seine Hoffnung auf bessere Zeiten ist auf jeder Seite des Buchs sp?rbar. Ein ebenso gehaltvolles wie spritzig-intelligentes Buch ?ber eine selten beleuchtete Seite deutschen Multikulti-Miteinanders - auch f?r alle, die das Wort "Integration" nicht mehr sehen k?nnen.

Johannes Schaack
16.07.2012

 
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Das Buch:

Martin Hyun: Ohne Fleiß kein Reis. Wie ich ein guter Deutscher wurde

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München: btb Verlag 2012
320 S., € 14,99
ISBN: 978-3-442-75343-7

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