Medien & Gesellschaft

Familie der Filmemacher

Die Ost-Berliner waren die besten Besucher der West-Berliner Grenzkinos, in denen stets ein spezielles Ost-Sonderprogramm angeboten wurde. Die Ost-Berliner geh?rten zu den regesten Besuchern der Urauff?hrungskinos am Zoo und entlang des unteren Kurf?rstendamm, in denen mit dem Pr?dikat "Wertvoll" oder "Besonders wertvoll"ausgezeichnete Filme im "Gesamtberliner Kulturprogramm" zu sehen waren. Das hei?t, die "aus der Zone" zahlten den Eintrittspreis, den auch die Westberliner zahlten. Die Ostler allerdings in Mark der DDR, nach Vorlage des Personalausweises. So war das bis zum Bau der Mauer. Filme der ostdeutschen DEFA wurden meist nur "der Not gehorchend" gesehen, wenn die Schulklassen oder die Betriebsgewerkschaftsgruppen ? zum Beispiel ? in die Th?lmann-Filme geschickt wurden. Heute sagt der Regisseur der Th?lmann-Filme, Kurt Maetzig, dass er "rote Ohren" bekommt, wenn er die Filme sieht. Der 95j?hrige Maetzig, Mitbegr?nder der DEFA, Sch?pfer der DEFA-Wochenschau "Der Augenzeuge", kann sich sch?men. Und er kann auch stolz sein auf das, was aus den traditionsreichen Babelsberger Studios kam in den Jahrzehnten der DEFA-Existenz.

Bereits der Beginn, mit dem Staudte-Knef-Film "Die M?rder sind unter uns", war vielsagend, viel versprechend. Die vielseitigen, gesellschaftskritischen Kinost?cke der ersten H?lfte der sechziger Jahre mehrten den Ruhm der DEFA, obwohl die Filme nicht aufgef?hrt wurden und im "Bunker" verschwanden. W?hrend der gesamten DEFA-Zeit gab es immer wieder beachtliche Filme beachtlicher Regisseure. Sie haben ihren k?nstlerischen Wert und sind beste Beispiele der besten deutschen Nachkriegsproduktionen. Die Einsicht setzt sich seit anderthalb Jahrzehnten mehr und mehr durch. Vor allem international.

Der gewachsenen Aufmerksamkeit f?r die DEFA-Filme wird der Band "Spur der Filme" wie kein anderer der vermehrt aufgetauchten Publikationen zur DEFA gerecht. ? Was ist denn die DEFA-Geschichte? Sie ist zuerst die Geschichte der Menschen, die das Wohl und Wehe der DAFA erlebten, weil sie die Beteiligten waren. Als Direktoren, Produktionsleiter, Dramaturgen, Autoren, Regisseure, Kameraleute, Maskenbildner, Schauspieler. Ihnen das hei?t einer ?berschaubaren Zahl namhafter Zeitzeugen, haben die Herausgeber, Ingrid Poss und Peter Warnecke, die Chance gegeben, sich zu ?u?ern. Lebhafter ist die Geschichte der "N?hrmutter" DEFA (Egon G?nther) noch nie zusammengefasst und vermittelt worden. Keine langweiligen Analysen langweilen die Leser. Sie werden zu Teilnehmern der Arbeits- und Lebensgeschichten der Filmemacher der Familie DEFA. Man muss schon ein abgeflachtes Gem?t, einen schl?frigen Geist haben, um von den Selbstaussagen der DEFA-Leute wenn schon nicht begeistert, so doch stark ber?hrt zu sein.

"Spur der Filme" ist ein Lesebuch voller bewegter, erregender Lebensgeschichten. Sie machten die DEFA zu einer deutschen Filminstitution von erstaunlichem, bestaunenswerten Format. Geschaffen aus den st?ndigen Auseinandersetzungen, die der Alltag der DEFA waren. Von den Auseinandersetzungen erz?hlen die Aufrichtigen in der aufrichtigsten Art. In den Selbstaussagen der DEFA-Leute ist unendlich mehr von der Wirklichkeit und Wahrheit der DDR als in dutzenden Publikationen, die versuchen, die DDR zu interpretieren. Nun darf sich auch mal der Zuschauer sch?men, der ignorant die ungesehenen Filme der DEFA verspottete. Das Nach-Lesen der wechselvollen DEFA-Geschichte macht ungeteilte Freude und wird Spuren hinterlassen.

Bernd Heimberger
04.06.2006

 
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Das Buch:

Ingrid Poss, Peter Warnecke: Spur der Filme. Zeitzeugen über die DEFA

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Berlin: Ch. Links Verlag 2006
568 S., € 24,90
ISBN: 3-8615-3401-0

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