Medien & Gesellschaft

Kontra Klischee und Kulisse

Zumindest geistig sahen die Gymnasiasten einer Berliner Schule blass aus, als sie gefragt wurden, was "MfS" bedeutet. Einig war sich die Mehrzahl der Schüler: "Nie gehört!" Stasi, ja Stasi, sagte den Unwissenden was. Aber was? Jedenfalls nicht, dass die Kurzform Stasi, die wie ein Kosenamen klingt, identisch ist mit dem Ministerium für Staatssicherheit, also dem MfS. Erstaunen allenthalben.

Aufklärung war nötig. Ist nötig. Weil das so ist, ist "Das MfS-Lexikon" eine begrüßenswerte Publikation. Dass die Ausgabe erst jetzt, mit der doch beträchtlichen historischen Distanz erscheint, ist durchaus kein Nachteil. Die Distanz hat der sachlichen, nüchternen, knappen Darstellung genützt. Die kategorisch lexikale Komprimierung der Notate zu Begriffen, Strukturen und Personen der Staatssicherheit, lässt aber auch die Frage aufkommen: Mehr gibt's zur "Stasi" nicht zu sagen? Ist in den vergangenen zwei Jahrzehnten nicht genug, nicht viel zu viel gesagt worden? Der Eindruck ist entstanden, oft wurde zuviel Undifferenziertes geäußert. Deshalb, vor allem deshalb, macht das Lexikon durchaus Sinn. In der straff-straffen Publikation ist die exakte Information alles, die, wie auch immer geartete, Interpretation nichts.

Durch die Medien lange genug mit IM-Geschichten gefüttert, ist IM gleich IM. So war´s dann doch nicht! Mensch war nicht gleich Mensch, Taten waren nicht gleich Taten. Ums mal lax zu sagen: Wer weiß, wieviele "Sorten" IM das Ministerium durchs eigene Land, die westliche wie östliche Welt geschickt hat? Unterm Stichwort "IM - Inoffizieller Mitarbeiter" werden fast ein Dutzend mögliche IM-Varianten aufgeführt. Ein "Inoffizieller Mitarbeiter, der unmittelbar an der Bearbeitung und Entlarvung im Verdacht der Fremdtätigkeit stehender Personen mitarbeitet" war ein IMV. Und so weiter, und so weiter!

Wer aber war das Gesicht der Staatssicherheit? Der kleine vermutete unbekannte, unerkannte IM? Nein. Es war auch nicht der vielgenannte Erich Mielke. Das Gesicht waren die vielen Hauptverantwortlichen der diversen Hauptabteilungen. Personen von Bruno Beater bis Wilhelm Zaisser. Die Angaben zu den Personen sind in der Mehrheit weitgehends identisch mit dem, was in der profunden Publikation "Wer war wer in der DDR" seit Jahr und Tag zu lesen ist. Nichts Neues von den Alten Herren, die die Staatssicherheit zu einer Schutz- und Trutzburg gemacht hatten, aus der Frauen möglichst ferngehalten wurden. Ein Männerclub von Hochgekommenen! Beachtenswert die soziale Herkunft der Herren, der soziale Aufstieg, die Bildung und Ausbildung. Für Außenstehende sind die Biographien der Männer des Ministeriums für Staatssicherheit sicher der interessanteste Teil des Lexikons. Schließlich war die Staatssicherheit kein Anonymus, obwohl sie alles dafür tat, mit diesem Image zu existieren.

"Das MfS-Lexikon" beschäftigt sich nicht mit den Klischees von der Staatssicherheit und der aufgebauten Kulisse gestriger wie heutiger Tage. Den Hintergrund in den Vordergrund zu rücken bedeutet, die erforderliche Aufmerksamkeit für die Geschichte und das Gebaren des Ministeriums zu wecken und zu erhalten. Gelingt das dem Buch "Das MfS-Lexikon", sind ihm die nächsten Auflagen gewiss. Bis es irgendwann den Nimbus hat, ein Nachschlagewerk zu sein, das ein Standartwerk ist. Zum Nutzen für die fortgesetzten Forschungen zum Tun der Staatssicherheit in der DDR. Zum Nutzen der Nachgeborenen, damit sie wissen, wovon sie reden, wenn sie von der "Stasi" reden. 

Bernd Heimberger
11.04.2011

 
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Das Buch:

Roger Engelmann: Das MfS-Lexikon. Begriffe, Personen und Strukturen der Staatssicherheit der DDR

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Berlin: Ch. Links Verlag 2011
400 S., € 19,0
ISBN: 978-3-86153-627-7

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