Medien & Gesellschaft

Förderer des Friedens

Wer will denn so etwas lesen? Jetzt? Noch? "Bausoldaten in der DDR" ist der Titel einer umfassenden Publikation von ?ber 600 Seiten, die wen wirklich interessiert? Im Geleitwort zum Buch bekennt Joachim Gauck sein Interesse. Ob das pers?nliche Bekenntnis der Aufmerksamkeit n?tzt ist eine vage Hoffnung.

Listen die beiden Autoren, Bernd Eisenfeld und Peter Schicketanz, auf, wer in der DDR den direkten, aktiven Wehrdienst verweigerte, ist sofort klar: Es war eine Minderheit. Von den staatlichen Beh?rden verschwiegen. In Kirchenkreisen st?ndig pr?sent. In der zivilen Gesellschaft der DDR kaum wahrgenommen. Die Mehrzahl der Wehrpflichtigen wusste nichts von den M?glichkeiten eines alternativen Armeedienstes, geschweige denn von einer Totalverweigerung. Die Geschichte der so bezeichneten "Bausoldaten" ist Teil der besten Geschichte der DDR-Geschichte. W?hrend die Mehrzahl der Jugendlichen widerwillig, doch willf?hrig der Einberufung zum Wehrdienst folgten, gab es die Wenigen, die Mutigen, Couragierten, Entschiedenen, die sich widersetzten. Und das seit Beginn der Einf?hrung der Wehrpflicht im Jahr 1962.

Zur ersten Generation der Couragierten geh?rte der 2010 verstorbene Autor Bernd Eisenfeld. Er wusste, wovon er spricht und ist ma?geblich verantwortlich f?r die Substanz der wahrlich nicht beliebigen Publikation. Einer der prominentesten Bausoldaten war der 1952 geborene Markus Meckel: 1990 der letzte Au?enminister der DDR. Zur Substanz und somit zur Solidit?t des Buches tr?gt bei, nicht Prominente herauszustreichen oder pers?nliche Betroffenheit zu artikulieren. Sachlichkeit in der Darstellung bestimmt die Substanz und Solidit?t. Das bedeutet, dass die chronistische Genauigkeit, die analytisch-wissenschaftliche Darbietung der Sache einen Wert gibt, die nicht jedermanns Sache ist.

Was jeden Einzelnen der Bausoldaten motivierte, was ihn innerlich bewegte, muss jeder Leser f?r sich herauslesen. Am ehesten gesch?tzt waren die Schutzlosen, wenn sie fest in ihrem religi?sen Glauben waren und in ihrer christlichen Gemeinschaft geborgen. R?ckrat zu zeigen war eher m?glich, wenn ein R?ckhalt gegeben war. Den garantierten f?r die Mehrzahl der Minderheit kirchliche Institutionen.

Von der offiziellen Gesellschaft zwar isoliert, nicht von der Bev?lkerung verachtet, schufen sich die Bausoldaten zunehmend auch eigene Strukturen der Solidarit?t. Und das ohne jegliche kommunikative Mittel heutiger Zeit. Der Zusammenhalt der Einzelnen war enorm. Am direktesten wird das deutlich in den 76 Dokumenten, die abschlie?end rund 150 Seiten der Publikation f?llen. Die Dokumente, vor allem die Schriftst?cke der Bausoldaten, lassen Schlussfolgerungen auf die Belange der Betroffenen zu. Eines ist sicher: Jeder Verweigerer des milit?rischen Armeedienstes hatte sein eigenes Schicksal. Das hei?t auch Zeiten ?rgster seelischer Bedr?ngnis und Bedrohung. Nicht jeder war stark genug, den Bedrohungen zu widerstehen. Wer aber spricht ?ber die, die sich das Leben nahmen, um sich s?mtlichen Drangsalierungen zu entziehen?

"Bausoldaten in der DDR" summiert Schicksale der Bausoldaten in der Nationalen Volksarmee und w?rdigt, eher am Rande, die Situationen der Totalverweigerer. Ein Buch kann nicht leisten, was l?ngst h?tte geleistet werden m?ssen. Es ist im Grunde besch?mend, dass 21 Jahre vergingen, eh die Menschen beachtet und geachtet wurden, die in der DDR aktiv dem Militarismus widerstanden und so die wahren F?rderer des propagierten Friedenswillens waren. Menschen, die durch ihr Beispiel beispielgebend eine wahrlich humanistische Gesellschaft vertraten. Es ist kaum zu erwarten, dass irgendwer den Antimilitaristen der DDR ein Denkmal setzt. Bernd Eisenfelds und Peter Schicketanz?s Buch "Bausoldaten in der DDR" ist ein Denkmal der besseren, besten Art f?r die Bausoldaten.

Bernd Heimberger
21.03.2011

 
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Das Buch:

Bernd Eisenfeld, Peter Schiketanz: Bausoldaten in der DDR. Die "Zusammenführung feindlich-negativer Kräfte" in der NVA.

Berlin: Ch. Links Verlag 2011
627 S., € 19,90
ISBN: 978-3-861-53637-6

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