Medien & Gesellschaft

Die atmenden Tiefen im Sein

Rund 340 Seiten warten auf den Leser, der zu Horst Krügers Buch greift. Unter dem nicht ganz leichten Titel "Die Offenbarung im Sein im Spiel unseres Lebens" wird indessen einiges mehr abverlangt als nur Ausdauer bei der Lektüre. Die 16 Kapitel bieten nämlich anforderungsreiche Kost mit Langzeitwirkung.

Glücklicherweise bietet der Autor schon im Vorwort einige begriffliche Klärungen, sonst würde man womöglich verloren gehen. Es fällt auf, wie viel bereits hier in Richtung Zen läuft, etwa wenn man vom Panogenium hört, das gemäß Definition das beseelte seelische innere Atmen im Sein meint. Weiter hinten findet der Leser natürlich die ausführlichen Erklärungen dazu. Aber Zen ist nicht der einzige Bezug, der einem auffallen wird. Wer mit Descartes, Locke oder Heidegger vertraut ist, kommt genauso auf seine Kosten.

Fragezeichen, die man sich in diesem Buch zur Groß- und Kleinschreibung, zur Deklination und zur Zeichensetzung stellen mag, gewöhnt man sich am besten schon im Vorwort ab. Dafür kann man sich besser auf die nicht eben leichten Sätze einstellen wie etwa: "Die Quelle des Lichts vom Urgrund her einstrahlend, beseelt und speist dieses Licht des Lebens, in dessen Fusion sich die seelischen Schwingungen im psychischen seelischen begeistigten Wirken erweitern." Möglicherweise rückt man dem Gemeinten näher, wenn man den Intellekt etwas ruhen und die Intuition umso freier spielen lässt. Wer gerne meditiert, darf und soll sich wiederholtes Lesen leisten - warum nicht?

Es versteht sich von selbst, dass man vom Autor auch eine Erweiterung zum Titelsatz erwartet. Und das leistet Horst Krüger auch: "Im Ausfließen des Ursein in den Weiten des Unendlichen, wo das sein in seiner Seiendheit im gestaltenden Chaos das Mögliche zum Wirklichen bringt, schuf es im planetarischen Leben in sich das Wahrnehmende der Welt." Sehr oft spricht Krüger in diesem Zusammenhang von "innerer Hinweisung". Vieles scheint auch "nur" auf, es ist von der Aura die Rede. Aura ist für Krüger das "Licht des Lebens", sie ist "mit dem Lichtfusionsfeld unlösbar webend verbunden".

So mag man manche Stelle als poetisch empfinden - etwa diese hier: "Die Liebe und Freude zur Weisheit, der inneren Sophia, sind darum so wertvoll, weil sie in ihrem Inhalt das besitzen, was das Denken einen roten Faden nennt, in dem sich fein webend der Blick zur Liebe der Natur, zur Würde des Lebens, und die Liebe in der Ethik öffnet." Könnte das nicht ein Rilke-Vers sein? Über allem schwebt Göttliches. Schließlich - so scheint es - geht es in diesem Buch vor allem um ein Sich-zurecht-Finden in der Schöpfung.

Anderes springt einem fast mechanistisch entgegen, etwa wenn es um die Verbindungen im System des Gehirns geht, wo sich "die formende Innerlichkeit wesensfremd verformt". Oder: "Eingebunden im Zeitempfinden bewegt sich die Zeit wieder im System der schöpferischen Neuronen, worin sie weiter im Strudel der Hektik dahin gleitet."

Immer aber wirken die Passagen harmonisch oder schon gar harmonisierend. Das könnte auch das Beruhigende der Lektüre dieses Buches erklären. Das ist selbst dann der Fall, wenn von den Härten der Welt, etwa Machterscheinungen in der Welt der Völker, die Rede ist. Begriffe wie das "Ineinandergreifen" verstärken diesen Eindruck.

Viele Wortschöpfungen verraten den kreativen Geist hinter dem Buch. Man liest von "apokalyptischen Sichelschnitten", vom "Hoheitsvakuum der Nichtheit" und vom "gehirnbegeistigten Denken". Das sind Trouvaillen, die man aus dem Buch schöpfen kann, das man nicht mit dem Kriterium lesen sollte, was richtig oder falsch gesagt sei. Sondern mit dem Kriterium, ob einen etwas vom Gesagten anspringt oder nicht.

Ronald Roggen
28.02.2011

 
Diese Rezension bookmarken:

Das Buch:

Horst Krüger: Die Offenbarung im Sein im Spiel unseres Lebens

CMS_IMGTITLE[1]

Frankfurt am Main: August von Goethe Literaturverlag 2008
340 S., € 19,80
ISBN: 978-3-8372-0136-9

Diesen Titel

Logo von Amazon.de: Diesen Titel können Sie über diesen Link bei Amazon bestellen.