Medien & Gesellschaft

Belebung durch Heimatwechsel und Widerspruch

Roland Schaffners Buch über "Denkwürdige transkulturelle Fremdgänge" trägt den Zusatztitel "Euroafroamerindia". Das macht überdeutlich, dass wir es nicht mit einer brav abgesteckten, "führbaren" Monokultur zu tun haben, wenn man diese 418 zum Teil recht anspruchsvollen Seiten liest, sondern mit mehreren Kulturen und den Kräften darin. Mehr noch, auch mit dem Spiel zwischen Kultur und harter politischer Realität, soweit man überhaupt noch Spiel sagen kann.

Schaffner wurde 1934 in Dresden geboren, promovierte in Vergleichender Literaturwissenschaft und wurde Mitarbeiter des Goethe-Instituts "Zur Förderung der Internationalen Kulturellen Zusammenarbeit". Sein Blickwinkel führt weit über die Literatur hinaus, hin zu Theater, Musik und vor allem zu den politischen Schauplätzen der Kultur, die sich engagiert und ihre Einsichten auch kämpferisch vertritt. "Obsessiver kultureller Fremdgänger" ist wohl eine zutreffende Bezeichnung für Schaffners Projektarbeit und auch für sein Schreiben. Die eigene Auseinandersetzung mit Fremdem ist als Metaebene stets im Buch mit dabei.

Zeitlich erstreckt sich das Buch über die Jahre zwischen 1966 und 1999. Eingefangen werden tiefe Eindrücke, die Schaffner aufgenommen hat - zunächst in Rio de Janeiro und Salvador, dann in Kalkutta, später in Belo Horizonte, München und Bahia. Was es nicht allein schon in Lateinamerika an Kunstschaffen und an Verzweigungen gibt! Stefan Zweig war hier gelandet wie viele andere Juden auch, ehemalige Nationalsozialisten ebenso. Stefan Zweig ist beileibe nicht das einzige schwere Schicksal in diesem Buch, das sich an gewissen Stellen wie ein Aufschrei anhört. Der Autor schöpft aus allem - auch aus der Karnevalskultur in Rio -, führt hin zu sozialen Spannungen und macht Klüfte innerhalb der Gesellschaften sichtbar.

Die Bilderauslage behält ihre Wirkung das ganze Buch hindurch. Das heißt, es wird hier nicht falsch verknüpft und verklebt, was autonom erscheinen will. Deshalb wäre wohl "Collage" das falsche Wort, dazu ist die Intention dahinter viel zu ehrlich und hart, viel zu wenig kompromissbereit. Glücklicherweise.

Aus dem Buch kann man den Schluss ziehen, dass eben die Betrachtung kultureller Vielfalt und ihrer Widersprüche sehr stark belebt. Es ist von "interkulturellem Engagement" die Rede, was natürlich seine politischen Hintergründe hat, und vom "Unterspülen der Politik", alles kritisch vor dem Betrachter ausgebreitet. Heimat verlassen, um "fremdzugehen", lautet eine der typischen Formulierungen dieses dicht bepackten Buches.

Der Autor beschreibt und interpretiert nicht nur, dies sehr persönlich, er vermittelt auch Auftritte im Original, sei es in Texten, sei es im Bild. So kommt die kulturelle Welt selbst zu Wort und gerät so ins Gesichtsfeld, wie sie sich geben will. Weiterführendes findet der Leser in den Literaturangaben und zahlreichen Hinweisen auch im Grundtext.

Wer mit vergleichender Kulturbetrachtung dieser globalen und komplexen Art nicht vertraut ist, dankt für die "Nachsichten", die einiges an Interpretation vermitteln. Das ganze Buch darf man als spannenden Bilderbogen bezeichnen. Es sind aber keine stummen Zeugen, vielmehr sind es dialoghafte Annäherungen an die Werke der Kultur, ihre Erzeuger, ihre Phänomene und die Probleme, die in solche Schöpfungen zum Ausdruck kommen. Hier wird nichts beschönigt, die Sprache ist dem Thema jederzeit angemessen und zeigt literarisches Können, das Formale zeigt Eigenwilligkeit und Hartnäckigkeit.

Ronald Roggen
14.12.2009

 
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Das Buch:

Roland Schaffner: Denkwürdige transkulturelle Fremdgänge. Euroafroamerindia

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Schweinfurt: Wiesenburg Verlag 2009
418 S., € 19,80
ISBN: 978-3-940756-32-9

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