Medien & Gesellschaft

Warum was für wen

Das war was! Es war aufregend, sowas zu machen. Aufregend, sowas zu verbreiten. Aufregend, sowas zu lesen. Die in den achtziger Jahren in der DDR vielerorts auftauchenden unlizensierten Zeitschriften gingen von Gruppe zu Gruppe, von Hand zu Hand. Nicht die Machart war wichtig, der Inhalt war´s. Im Schlussjahr der DDR erschienen drei Ausgaben der "Umfeldblätter" in Leipzig. Jetzt sind sie wieder da. Jetzt, da die alles-besser-wissenden Bücher zum Herbst 1989 wie Herbstblätter auf uns fallen. Wohltuend, dass da sowas wieder auftaucht. Etwas, was keine Interpretation braucht und schon gar keine Rechtfertigung. Die "Umfeldblätter" sind eine Sammlung souveräner Stimmen aus der DDR, als niemand an ihren baldigen Ausschluss aus der Geschichte dachte. Die Souveränität der Schreiber erzeugt eine Hochstimmung beim Leser des Jahres 2009. Mancher Gedanke aus der Vergangenheit ist in der Gegenwart angekommen. Das sollte, vielleicht, doch etwas erschrecken. Sich nicht verbergend, haben Reinhard Bernhof und Sylvia Kabus 1989 die "Umfeldblätter" herausgegeben und damit einiges riskiert.

Beiträger der Blätter waren vor allem Autoren aus dem Leipzig-Hallenser Umfeld. Namen, die in der DDR Klang hatten, die in Deutschland nicht angekommen sind. Sollte auch das erschrecken? Muss nicht sein! Doch nachdenklich könnte das schon stimmen. Einerseits ein Reprint, ist die publizierte Edition mehr als das. Kabus und Bernhof informieren über ihr einstiges Engagement und dessen Folgen. Einschließlich der Fäden - dafür gibt's Dokumente - die in den Schnüffelstuben der Staatssicherheit gezogen wurden. Davon zu lesen heißt, nun mit Hochachtung auf die Herausgeber zu sehen. Ihr Gewissen machte vor keiner Gefahr halt. Das gilt auch für die mitmachenden Autoren, die mit möglichen Repressalien rechnen mussten. Das im Sinn, müssen die Schriften gelesen werden. Texte, die nicht über die DDR hinauswollten. Texte, die etwas wollten. Zumindest ein Land, das ein anderes Land werden sollte. Das war geistige Republikflucht, auf der Suche nach einer veränderbaren, veränderten Republik.

Nichts ist da Schmeichelei, die sich die Tagespresse täglich abpresste. Freier Geist äußerte sich unzensiert. Mit Wohlgefühl ist das auch heute zu lesen. Die Substanz der Texte ist vor allem deshalb gegeben, weil die Schreiber sehr genau wussten, warum sie was für wen schrieben. Ohne damit aufzutrumpfen, waren sich die Autoren eines, ihres Auftrages bewusst. Und im Zueinanderstehen, auch durch die Sammlung geeint, fühlten sich die Verfasser stabiler und in ihrem Bewusstsein und Selbstbewusstsein gestärkt. Das alles bekommt zu spüren, wer die wieder aufgelegten "Umfeldblätter" nicht links liegen lässt. Unverfälschte Zeugen der Zeitgeschichte, die in die Zeit zeigen, die wir jetzt haben.

Bernd Heimberger
09.11.2009

 
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Das Buch:

Reinhard Bernhof, Sylvia Kabus (Hg.): Umfeldblätter

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Leipzig: Leipziger Literaturverlag 2009
90 S., € 19,95
ISBN: 978-3-866-60082-9

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