Medien & Gesellschaft

Ein bedeutendes Zeitdokument über die DDR-Gesellschaft, aus der Feder einer Ausnahmeautorin

"Wir staunen, was wir offenbar schon lange gedacht haben und was wir uns jetzt laut zurufen: Demokratie jetzt oder nie!" Als Christa Wolf am 4. November 1989 diese Worte den versammelten Menschen am Alexanderplatz zuruft, steht die weltberühmte Schriftstellerin im Zentrum politischer Umbrüche. Sogar das Staatspräsidentenamt wird ihr angeboten. Wie hat die engagierte Autorin die DDR, den Mauerfall und die Wiedervereinigung erlebt? "Umbrüche und Wendezeiten" erweist sich als Offenbarung, wie man diese nur seltenst in die Hände bekommt. In 141 Buchseiten erschließt sich dem Leser ein Ausschnitt aus einem faszinierenden Leben und einer Gesellschaft in unruhigen Zeiten. Wolfs Schilderungen reißen den Leser mit, lassen ihn glauben, er befände sich tatsächlich im Damals.

Im Jahr 2008 führte Thomas Grimm ein Interview mit Christa Wolf und ihrem Mann Gerhard Wolf. Christa Wolf erinnert sich in dem Gespräch an den Alltag in der DDR, die Überwachung durch die Stasi und die friedliche Revolution von 1989, zu deren wichtigsten Stimmen sie gehörte. Sie spricht über ihre vergebliche Hoffnung auf einen wirklich demokratischen Sozialismus in der DDR, über die Wiedervereinigung und ihre Eindrücke des sich verändernden Kunst- und Kulturbetriebs. Ihre gesellschaftlichen Diagnosen sind ihrer Zeit weit voraus, ob es den Wegzug junger Leute aus Ostdeutschland, die Ausbreitung rechter Gesinnungen oder die drohenden Folgen des Klimawandels betrifft. Christa Wolf zeigt sich als scharfsinnige Analytikerin der Wendezeit und couragierte Zeitgenossin und gibt ganz persönliche Einblicke in ihr Leben.

Christa Wolf, unter anderem ausgezeichnet mit dem Heinrich-Mann-Preis (1963), Georg-Büchner-Preis (1980), Österreichischen Staatspreis für Europäische Literatur (1985), Nelly-Sachs-Preis (1999) und Deutschen Bücherpreis (2002), gehört zu den bedeutendsten Schriftstellerpersönlichkeiten der DDR und Deutschlands wichtigsten Autorinnen des 20./21. Jahrhunderts. Ihre Werke sind von fundamentaler gesellschaftlicher Bedeutung, außerdem Ausdruck für eine ganze Generation. Sie spiegeln die DDR-Zeit einmalig wider. "Umbrüche und Wendezeiten" tut dies noch wirklichkeitsgetreuer, lebensnaher als Wolfs Romane es jemals könnten. Hier erfährt man (Sach-)Literatur, die einen gleich ab dem ersten Satz ganz atem- sowie sprachlos macht. Definitiv ein Highlight im Bücherregal; noch dazu eines, das alles andere zu übertreffen vermag!

Ein wichtiger, bedeutender Beitrag zur DDR-Bewältigung - pünktlich zum 30. Jahrestag des Mauerfalls ist Christa Wolfs "Umbrüche und Wendezeiten" erschienen, ein monumentales Andenken als die DDR und den Kampf der Ostdeutschen gegen das Honecker-Regime. Während der Lektüre wird offenbar, mit welchen Problemen die DDR'ler zu kämpfen hatten. Und es wird der wahre Wert von Freiheit aufgezeigt. Das kann nur eine Christa Wolf so grandios, so überwältigend und erzählerisch kunstvoll!

Susann Fleischer 
20.07.2020

 
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Das Buch:

Thomas Grimm (Hg.): Christa Wolf: Umbrüche und Wendezeiten. Unter Mitarbeit von Gerhard Wolf

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Berlin: Suhrkamp Verlag 2019 141 S., € 12,00 ISBN: 978-3-518-46962-0

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