Medien & Gesellschaft

Der weiße Brasilianer - ein wenig poco loco

"Enfant terrible", "Kultkicker" oder "Der Letzte seiner Art" sind nur einige der vielen Umschreibungen, die gerne verwendet werden, wenn von Ansgar Brinkmann die Rede ist. Unterm Strich hat er als Fußballer nicht wirklich viel aus seinen zwanzig Jahren als Profi vorzuweisen: Deutscher A-Jugendmeister mit Bayer Uerdingen, lediglich zwei Jahre im Oberhaus, aber immerhin mal 1:0 gegen die Bayern gewonnen. Dafür hat Brinkmann dreimal bei Preußen Münster, zweimal beim VfL Osnabrück und einmal bei Arminia Bielefeld gespielt. Bedenkt man, dass sich diese Klubs untereinander spinnefeind sein, Ansgar Brinkmann bei allen drei Vereinen aber als Klub-Ikone geführt wird, dann muss dieser blonde und athletische Kicker irgendetwas an sich haben, was größer ist als seine spärlich garnierte Erfolgsbilanz.

Der Journalist Peter Schultz hatte vor einigen Jahren von "1 Live", einem populären Radiosender des Westdeutschen Rundfunks den Auftrag erhalten, einen prominenten und erfolgreichen Ex-Fußballer für eine wöchentliche Kolumne zu gewinnen. Natürlich sollte dieser bei seinen Beiträgen auch kein Blatt vor den Mund nehmen. Gut, Letzteres sprach sicherlich für Ansgar Brinkmann, doch bei den restlichen der gewünschten Eigenschaften herrschte bei den Machern doch große Skepsis vor. Schultz und Brinkmann gelang es jedoch rasch, die verantwortlichen Herren zu überzeugen. Mittlerweile produzieren die beiden seit viereinhalb Jahren ihre Beiträge für die wöchentliche Serie. Aktuelle Aufreger aus der Welt des Fußballs werden aufgegriffen und Ansgar Brinkmann erzählt dann mal, wie das Ganze so zu seiner Zeit gesehen und geregelt worden wäre.

Das vorliegende Buch "Wenn ich du wäre, wäre ich lieber ich" beinhaltet eine Zusammenstellung der besten Beiträge aus diesen viereinhalb Jahren. In vier Rubriken gegliedert, innerhalb einer jeden Rubrik chronologisch geordnet und mit dem jeweiligen Sendedatum versehen finden sich in diesem Buch viele unterhaltsame Sternstunden des Radio-Journalismus. Zwischendurch gibt es dann noch den einen oder anderen Einwurf eines Weggefährten Ansgar Brinkmanns, sei es von Christian Heidel, Rainer Calmund oder Horst Ehrmanntraut. Für das Schlusswort konnte Peter Schultz mit Christoph Metzelder sogar einen Protagonisten des Sommermärchens gewinnen. Der Tenor dieser externen Stimmen ist ziemlich eindeutig: Ansgar Brinkmann, ein mit großen Talenten gesegneter Kicker, der mindestens 50 Länderspiele haben müsste, aufgrund seiner zahlreichen Eskapaden jedoch bei null stehengeblieben ist bzw. lediglich ein Länderspiel mit der Bundeswehr-Nationalmannschaft zu verzeichnen hat, das allerdings auch mit einem Skandal gesegnet ist.

Sicherlich bedient "Wenn ich du wäre, wäre ich lieber ich" im Repertoire des herausgebenden Werkstatt eher die populäre Schiene der Fußballbücher. Dennoch wird selbst derjenige Leser, der noch nicht dem Ansgar-Kult verfallen ist und skeptisch an dieses Buch herangeht, sehr schnell angefixt werden von diesem Typen, der richtig viele positive Eigenschaften auf sich vereinigt: authentisch, ehrlich, sympathisch und einfach nur cool! Man liest sich förmlich in einen Rausch hinein und möchte immer erfahren über Ansgars Sicht auf die Dinge. Fußball-Romantiker werden in diesem Buch voll auf ihre Kosten kommen: Die immer größer werdende Kommerzialisierung, DFB, FIFA, UEFA und der FC Bayern gehören nämlich keinesfalls zu Ansgars engeren Freunden.

Brinkmann macht das, wonach jeder Fußball-Fan lechzt, er plaudert aus dem Nähkästchen, ohne dabei die Gesetze der Kabine zu verletzen oder illoyal gegenüber seinen ehemaligen Mitspielern zu werden. Man nimmt ihm unumwunden ab, wie er die eine oder andere Situation aus dem Hier und Jetzt damals an der Bremer Brücke oder auf der Alm geregelt hätte. Erstaunlich wie weit Ansgar Brinkmann letztlich doch gekommen ist, bedenkt man seine grundsätzliche Vor- und Nachbereitung zu den Spielen. Legendäre Exzesse gibt er im vorliegenden Buch zum Besten, wenn er seine Flucht vor der Polizei durch Osnabrück beschreibt, eine Nacht auf der Reeperbahn oder eine Currywurst mit Pommes als Vorbereitung auf das kommende Spiel. Ansgar Brinkmann muss man einfach lieben, egal ob er für die eigenen Farben gekickt hat oder für den Erzfeind. Und garantiert hat er noch viel, viel mehr zu erzählen aus seinen 20 Jahren als Fußball-Profi, schließlich gab es zu seiner Zeit noch keine Fotohandys, Twitter oder Facebook. Zum Glück!

Christoph Mahnel
02.05.2017

 
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Das Buch:

Peter Schultz, Ansgar Brinkmann: Wenn ich du wäre, wäre ich lieber ich

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Göttingen: Verlag Die Werkstatt 2017
192 S., € 14,90
ISBN: 978-3-7307-0325-0

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