Biographie

Menschen-Lehrerin

33 Jahre war sie alt, die zarte Caroline von Heydebrand, als sie 1919 an der Gründung der ersten Waldorfschule teilnahm. Literatur und Philosophie hatte die 1886 geborene junge Frau studiert, Novalis war ihr besonders ans Herz gewachsen, der kleinen Frau, die als zweites von insgesamt neun Kindern in Breslau geboren wurde. Der Vater, aus altem schlesischem Adelsgeschlecht stammend, bekam schon als vierjähriger Knabe Schulunterricht und studierte Jura, später übernahm er das Landratsamt des Kreises Breslau. Die Mutter hatte als junge Waise eine hervorragende Ausbildung in der Niederlössnitzer Stiftung in Dresden erhalten und sie blieb lebenslang offen für geistige und kulturelle Fragen.

Die Familie hatte sechs Söhne und drei Töchter, doch Caroline blieb bis ins Alter von 16 Jahren das einzige Mädchen. Die Brüder schildern Caroline als lebhaftes, phantasievolles, kluges und willensstarkes Persönchen. Trotz ihrer Zierlichkeit war Caroline durchaus ein angesehenes Mitglied der „Bande“ und der einzige Wermutstropfen blieb ihre zarte Stimme.
Der Tod des Vaters erlebt Caroline als einschneidendes Erlebnis, der Vater war nur 49 Jahre alt geworden. 1909 beginnt Caroline ihr Studium, das sie nach München, Berlin, Basel und Greifswald führt. In München bekommt sie Kontakt zur Anthroposophischen Gesellschaft, die gerade in den Jahren ab 1910 eine Blüte erlebt. Caroline von Heydebrand lernt das Ehepaar Steiner kennen und vertieft sich in die bis anhin greifbaren Schriften. „Nebenher“ bewältigt sie ihre Dissertation über Novalis, doch für Frauen war ein Erwerb des Doktortitels damals in Berlin nicht möglich, das gelang ihr erst 1919 in Greifswald.

“Ein kleines Stimmchen, aber ein sehr begabter Geist“ – so urteilte Steiner über die zierliche Caroline von Heydebrand. 1919 begann sie mit dem Unterricht an der neugegründeten ersten Waldorfschule.

Jünemann zeichnet das Leben der bedeutenden Pädagogin, deren Werk „Vom Seelenwesen des Kindes“ für Lehrer und Eltern gleichermaßen bis heute eine „Urquelle“ ist, sensibel und anschaulich in vielen Zeugnissen nach. Das Lebenswerk, der Unterricht, die Freundschaften, von Heydebrands Herausgeber- und Vortragstätigkeit und ihr Unterricht in Holland und England werden geschildert. Besonders interessant ist der sehr viel Raum umfassende Anhang mit Aufsätzen, Briefen und Dokumenten, in denen weitere Facetten dieser berühmten Lehrerpersönlichkeit beleuchtet werden. So erscheint Caroline von Heydebrand aus verschiedenen Blickwinkeln, so bleibt dem Leser das Bild der zarten Person mit den großen Seelenkräften intensiv vor dem inneren Auge stehen.

csc
03.03.2004

 
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Das Buch:

Margrit Jünemann: Der Winter weicht. Caroline von Heydebrand

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Stuttgart: Freies Geistesleben 2004
176 S.
ISBN: 3-7725-1886-9

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