Sammelrezensionen und Glossen & Berichte
Geschichte und Geschehen
David Abulafia: Das Mittelmeer
Die Geschichte des Mittelmeeres ist die Geschichte unserer Zivilisation.
Das großartige, opulente Werk zur Geschichte des Mittelmeers - seit mehr
als 3000 Jahren ist das Mittelmeer eines der Zentren der zivilisierten
Welt. An seiner geographischen Achse entscheiden sich bereits zu Zeiten
Trojas politische und kulturelle Neuerungen, die von weltpolitischer
Bedeutung sind. Von hier aus werden neue Reiche erobert, Grenzen
verschoben, Weltanschauungen durchgesetzt, Irrfahrten begangen, es gab
Schrecken, Kriege, Fehden, Erstürmungen und Tragödien. Aber es existiert
ebenso die andere Seite, und diese besteht aus der unvergleichlichen
Geschichte eines Dialog verschiedener Kulturen, Identitäten, Politiken,
Wissenschaften, Handel und Religionen entlang der Küsten des Gewässers,
für das die Römer noch den einen, allbezeichnenden Namen hatten: Mare
Nostrum. Abulafia schlägt einen Bogen durch Raum und Zeit und zeigt, wie das
Mittelmeer zu eben jenem kraftvollen Ort wurde, an dem sich die
Geschichte der Menschheit auf einzigartige Weise widerspiegelt. Ein aufsehenerregendes Werk mit einem reichen Farbbildteil.
David Abulafia: Das Mittelmeer. Eine Biographie
S. Fischer, 900 S., € (D) 34,00 | € (A) 35,00 | SFR 45,90
ISBN: 978-3-10-000904-3
Karlsjahr 2014 - 1200. Todestag Karls des Großen am 28. Januar 2014
Johannes Fried zieht in seinem Opus magnum alle historischen Register, spürt anhand von Quellen und Artefakten, Indizien und Analogieschlüssen Karl nach, läßt Wissen, modemste Methoden der Gedächtnisforschung und die schöpferische Intuition ineinander spielen, um ein Zeitalter und eine Herrschergestalt zum Leben zu erwecken, deren Todestag sich 2014 zum 1200. mal jährt. Gewalt und Glaube - sie bestimmten Karls des Großen Handeln. Von seinem ersten bis zu seinem letzten Herrscherjahr zog er in den Krieg oder sandte er seine Heere aus, um Länder zu erobern, Gegner zu unterwerfen, die Christenheit auszuweiten. Seit seinen Jugendjahren richtete sich Karls Blick aus der engeren Heimat um Paris und Soissons nach Sachsen, Italien und Spanien, nach Cordoba, Konstantinopel und Pannonien, nach Jerusalem, Kairouan und Bagdad, aus der westlichen in die orientalische Welt, mit der er tatsächlich Gesandtschaften tauschte und die in seinem Reich durch Wirtschaftsbeziehungen, Technik- und Wissensaustausch interkulturelle Lemprozesse anstieß. Der König und Kaiser schaute mit wachem Sinn für eine sich wandelnde Welt in immer weitere Horizonte, nach Europa, Asien und Afrika, in die ganze ihm bekannte Welt. Byzanz war in mancherlei Hinsicht Vorbild, doch gerade auch die Welt der Muslime übte einen nachhaltigeren Einfluß auf das Frankenreich, als es noch unlängst vennutet wurde. Doch alles, was der König und Kaiser begann, war zugleich geprägt von den Erfordemissen seines christlichen Glaubens und suchte die Übereinstimmung mit Papst und Kirchenrecht. Die Sorge um die Kirche brachte zugleich seine wohl bedeutendste kulturelle Leistung auf den Weg: die reichsweite Erneuerung von Bildung und Gelehrsamkeit, ohne die Europas Geschichte anders verlaufen wäre. In seiner Darstellung portraitiert Johannes Fried den berühmtesten Herrscher des Mittelalters, sein Wirken und sein Zeitalter.
Johannes Fried war bis zu seiner Emeritierung Professor für Mittelalterliche Geschichte an der Universität Frankfurt. 1995 erhielt er den Preis des Historischen Kollegs (Historikerpreis), 2006 den Sigmund-Freud-Preis für wissenschaftliche Prosa. Bei C.H.Beck sind von ihm erschienen Aufstieg aus dem Untergang (2001), Der Schleier der Erinnerung (2004), Das Mittelalter (2008) sowie zuletzt, zusammen mit Olaf B. Kader (Hg.) Die Welt des Mittelalters. Erinnerungsorte eines Jahrtausends (2011).
Johannes Fried: Karl der Grosse. Gewalt und Glaube
C.H. Beck, München, 736 S., € 29,95
ISBN: 978-3-406-65289-9
Prinz Max von Baden: Der letzte Kanzler des Kaisers
Deutschland im Herbst 1918: Der Erste Weltkrieg geht zu Ende, auf den
Straßen tobt die Revolution. Am 9. November, zwei Tage vor dem
offiziellen Waffenstillstand, verkündet der deutsche Kanzler Prinz Max
von Baden die Abdankung des Kaisers und besiegelt damit das Ende der
Monarchie. Wer war dieser Max von Baden? War er der legere Grandseigneur
liberaler Prägung und Philanthrop, als den ihn Golo Mann beschrieb?
Aber wie verträgt sich das mit seinen intensiven Kontakten zum
Bayreuther Wagner-Kreis und insbesondere zu dem Rassenideologen Houston
Stewart Chamberlain? Und wie passt Kurt Hahn ins Bild, der enge Freund
und Berater aus dem Berliner jüdischen Großbürgertum, mit dem der Prinz
später das reformpädagogische Internat Schloss Salem gründen sollte?
Weltoffen und friedensbereit schien Max von Baden am Ende des Ersten
Weltkriegs, doch zugleich war er ein schroffer Gegner von
Parlamentarismus und Demokratie. Er lebte standesbewusst aristokratisch,
doch als Homosexueller auch jenseits der damals herrschenden
Konventionen. Auf der Basis reicher, hier erstmals erschlossener
Quellen erzählt Lothar Machtan die faszinierende Geschichte einer
historischen Figur voller Widersprüche – eines fürstlichen Lebens, dem
nichts Menschliches fremd blieb – und eröffnet damit zugleich einen
neuen Blick auf eine Epoche im Stadium ihres Zerfalls.
Lothar Machtan: Prinz Max von Baden:
Der letzte Kanzler des Kaisers
Suhrkamp Verlag, Berlin, 670 S., € 29,95
ISBN: 978-3-5184-2407-0
Barbara Stollberg-Rilinger: Des Kaisers alte Kleider
Eine der besten Kennerinnen der Geschichte des Alten Reiches erhellt das
faszinierende Wechselspiel von schriftlich fixierter Verfassung und im
Ritual gelebter Verfassungswirklichkeit. Zum ersten Mal wird
Verfassungsgeschichte konsequent von den symbolisch-rituellen Formen und
ihrem Wandel her verständlich.
Wie wurden Vasallen des Reiches
belehnt? Wie verständigte man sich auf den Reichstagen? Wie verkehrten
die Gesandten an den Höfen der Fürsten? Was über diese Fragen in der
Verfassung bestimmt war, war die eine Sache, doch ob und in wieweit
diese Regeln mit Leben erfüllt wurden, war eine andere - war abhängig
von sehr komplexem symbolisch-rituellen Handeln. Barbara
Stollberg-Rilinger zeigt in ihrem spannenden Buch, wie eine politische
Formensprache, die alle Beteiligten beherrschten - gleichsam eine Art
symbolischer Grundwortschatz - unverzichtbar war, um sich über die
gemeinsame Ordnung zu verständigen.
Barbara Stollberg-Rilinger: Des Kaisers alte Kleider: Verfassungsgeschichte und Symbolsprache des Alten Reiches
C.H.Beck, München, 439 S., € 38,00
ISBN: 978-3-4065-7074-2
Barbara Stollberg-Rilinger: Die Aufklärung
Die politische, soziale und geistige Bewegung der Aufklärung ist ein europäisches Phänomen. Sie hat in ganz Europa der Geschichte des 18. Jahrhunderts ihre charakteristischen Züge verliehen: In Frankreich, England, Deutschland, Italien, Spanien und darüber hinaus, überall wurde der Begriff der "Aufklärung" zum Modewort, die Vorstellung davon, Licht ins Dunkel der Unvernunft zu bringen, den Nebel des Aberglaubens und der Vorurteile zu vertreiben, zum vieldiskutierten Leitbild. Der Überblick der renommierten Münsteraner Historikerin erfasst diese gesamteuropäische Geistesbewegung und schildert sie in aller Vielfalt, wenn nicht gar Widersprüchlichkeit.
Barbara Stollberg-Rilinger: Die Aufklärung:
Europa im 18. Jahrhundert
Reclam, München, 315 S., € 7,80
ISBN: 978-3-1501-8882-8