Glossen & Berichte

Dunkles und Heiteres aus der iranischen Seele

Hamburg (dpa) ­ Das Bild im Westen vom Iran ist düster: Ein Mullah-Staat, der nach der Bombe strebt, ein Regime, das mit allen Mitteln Kritiker bekämpft ­ im Namen der islamischen Revolution. Leidtragende sind nicht zuletzt Autoren, die entweder nur im Ausland veröffentlichen können oder seit Jahren im Exil schreiben. Einige wenige Werke iranischer Literaten sind in diesem Jahr auf Deutsch erschienen. Sie gewähren einen tieferen Einblick in die Lebens- und Gefühlswelt der Perser als es die aktuelle Berichterstattung über das Misstrauen - nicht nur - der Regierenden gegenüber dem Westen und die Repressalien gegen Regimekritiker vermag.

Düsteres Spiegelbild der iranischen Geschichte

Das literarisch wohl anspruchsvollste Werk kommt aus dem Iran selbst. Bezeichnend für die Lage iranischer Schriftsteller ist dabei, dass «Der Colonel» von Mahmud Doultabadi als Erstveröffentlichung auf Deutsch erschienen ist. Die Zensurbehörden in der Heimat des derzeit wohl populärsten iranischen Schriftstellers verweigerten ihre Zustimmung, das persische Manuskript zu veröffentlichen. Kein Wunder: «Es gibt in der iranischen Gegenwartsliteratur kein Werk, in dem der Autor so schonungslos mit der Geschichte des Landes so rigoros, so offen und unbarmherzig umgeht», stellt der in Berlin lebende Publizist und Übersetzer Bahman Nirumand in seinem Nachwort fest.

Doulatabadi erzählt die düstere, oft schwer im Magen liegende Geschichte eines hochdekorierten Offiziers der ehemaligen Schah-Armee im Zeitraffer. Der Roman spielt in der letzten regenschwarzen Nacht des Colonels in der vom Krieg mit dem Irak geprägten islamischen Republik der 80er Jahre. Der Romanheld muss seine vom Geheimdienst zu Tode gefolterte Tochter bis zum Morgengrauen beerdigen. Dabei hängt er seinen Gedanken nach. Seine Kinder wurden zwischen den Mühlsteinen der Khomeini-Revolution zermahlen, seine untreue Frau hat der in konservativen Werten gefangene Colonel umgebracht.

Im persönlichen Scheitern seines tragischen Romanhelden spiegelt Doulatabadi das Scheitern einer ganzen Gesellschaft. Er hat das düstere Buch schon vor 25 Jahren geschrieben, doch sich erst im vergangenen Jahr zur Veröffentlichung entschlossen. Nach eigenem Bekunden wollte er immer wieder vermeiden, dass «der Roman zu direkt auf die politische Situation hin gelesen wird», wie er unlängst der «taz» sagte. Doch angesichts der anhaltenden Proteste gegen die Wiederwahl von Präsident Mahmud Ahmadinedschad hat das Buch noch mehr an politischer Sprengkraft gewonnen. Dennoch hofft der Autor, dass sein Roman, den selbst die Zensurbehörde als «Meisterwerk» bezeichnet habe, eines Tages doch noch im Iran erscheint.

Kafkaesker Bürokratie-Wahnsinn

Mit dem Roman «Der letzte Ausweis» hat der Herausgeber der Reihe «Weltlese», Ilija Trojanow, ein Kleinod der iranischen Literatur aus den 60er Jahren wiederentdeckt. Darin entführt F.M. Esfandiary den Leser in das kafkaeske Labyrinth der iranische Bürokratie in der Schah-Zeit. Seit dem ersten Erscheinen des Buches vor rund 40 Jahren in Amerika dürfte sich wenig an dem bürokratischen Wahnsinn geändert haben, der so manchem westlichen Leser aberwitzig erscheinen mag. So weist auch der Verfasser vorsorglich daraufhin, dass es sich bei seinem Werk um keine Satire handeln soll.

Wie der Autor hat auch sein Romanheld Dariusch Aryana lange im Ausland gelebt. Auf der Suche nach seiner Identität ist Aryana in seine iranische Heimat gereist, bleibt dort aber ein Fremder und will das Land wieder verlassen. Dazu benötigt er aber einen neuen Ausweis und landet im Behördendschungel. Aryanas westliches Verständnis von Rechtssicherheit prallt auf die ihm fremd gewordene Lebenseinstellung seiner Landsleute. Das Buch bietet dem westlichen Leser tiefen Einblick in eine andere Kultur.

Werben um Verständnis für den Islam

Zu den renommiertesten iranischen Exil-Schriftstellern gehört Kader Abdollah. Seine auch literarische Wahlheimat sind die Niederlande, wo er seit mehr als 20 Jahren nach der Flucht aus dem Mullah-Staat lebt und auf Holländisch schreibt. Sein jüngster Roman «Mohammed der Prophet» ist eine Werbung für das Verständnis des Islams. «Man kann den Islam nicht verstehen, wenn man Mohammed nicht versteht», begründet Kader seine Themenwahl.

In seinem Buch zeichnet er in einer Mischung aus Überlieferung und Fiktion ein menschliches Bild des Gründers dieser Weltreligion. Dazu hat er Mohammeds fiktiven Adoptivsohn Zaid geschaffen. Seine Romanfigur erhält nach dem Tod des Propheten von dessen Gefährten den Auftrag, Mohammeds Leben aufzuschreiben. Ein Jahr lang spricht er mit Zeitzeugen, dann ist sein Auftrag erfüllt.

Krimi aus anderem Blickwinkel

Ein Krimi der anderen Art ist die Novelle «Carolas andere Tode». Der in Hamburg lebende Literaturdozent Mahmood Falaki beschreibt darin die Gefühlswelt zweier Menschen mit völlig unterschiedlichen Erfahrungshorizonten. Er erzählt die Geschichte eines Exil-Iraners, der sich in Hamburg in eine Deutsche verliebt. Die zunächst etwas verwirrend anmutende Geschichte zieht den Leser zunehmend in seinen Bann und endet mit einer unerwarteten Auflösung.

Mahmud Doulatabadi: Der Colonel
Unionsverlag, Zürich
222 Seiten, 19,90 Euro
ISBN 978-3-293-00402-3

F:M. Esfandiary: Der letzte Ausweis
Edition Büchergilde, Frankfurt/Main
244 Seiten, 19,90 Euro
ISBN 978-3-940111-55-5

Kader Abdolah: Mohammed der Prophet
Claasen Verlag, Berlin
288 Seiten, 19,90 Euro
ISBN 978-3-546-00451-0

Mahmood Falaki: Carolas andere Tode
Sujet-Verlag, Bremen
174 Seiten, 12,80 Euro
ISBN 978-3-933995-44-5

 
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