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Ehrung für den Mann der leisen Töne - Kappacher erhält Büchner-Preis 2009

Für sein literarisches Lebenswerk hat der österreichische Schriftsteller Walter Kappacher ("Der Fliegenpalast") am Samstag in Darmstadt den Georg-Büchner-Preis erhalten. Die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung verlieh dem 71-Jährigen die bedeutendste deutsche Literaturauszeichnung, da in seinem erzählerischen Werk "die Stille hörbar wird". Als "poetischer Realist" unserer Tage, knüpft er mit seinen Werken bei vollkommener Gegenwärtigkeit an diese große Erzähltradition an und erzeugt dadurch einen "Sog der Stille", begründete die Jury die Preisvergabe. Seine Prosa ist "hoch musikalisch, fein komponiert und trotzdem gelassen". Walter Kappacher pflegt in seinen Büchern "einen melancholischen Blick auf unsere Welt und die Menschen, der einen falschen Trost verweigert und gerade deshalb tröstlich wirkt" (Quelle: dpa).

Die literarische Würdigung von Kappachers "stiller Prosa" hat allerdings etwas auf sich warten lassen. Seinem Debütwerk "Morgen" (1975) folgten zwar eine Anzahl von weiteren Romanen und Erzählungen, doch erst mit "Selina oder das Andere Leben" (2005) rückte der Österreicher stärker ins Bewusstsein der literarischen Öffentlichkeit. Der 71-jährige Kappacher hat in einzelgängerischer Konsequenz über Jahrzehnte hinweg ein höchst bedeutendes, lange viel zu wenig beachtetes Werk geschaffen. Im Frühjahr dieses Jahres erschien dann der viel gerühmte Künstlerroman "Fliegenpalast" für dessen unprätentiöse Sprache und Beobachtungsgabe Kappacher oft gelobt wurde. Doch ihm ist und bleibt jeder Rummel fremd. "Über meinen Stil denke ich nicht nach. Ich versuche Sätze zu schreiben die mir selber gefallen", erklärt der bedächtige Schriftsteller während der Preisverleihung (Quelle: dpa). In seinen Romanen geht es ruhig und unspektakulär zu - so wie der Autor selbst auch ist. Seine Protagonisten sind eher Anti-Helden, die im ganz normalen Alltag agieren und ihren Lebenssinn suchen. Auch findet sich in seinen Büchern kein durchgängiges Lebensthema, im Gegensatz zu anderen österreichischen Autoren, wie etwa dem Büchner-Vorjahrespreisträger Josef Winkler aus Kärnten. Jeder Roman ist anders, auch wenn der Schriftsteller seinem Stil treu bleibt. Immer wieder tauchen bei Kappacher auch autobiografische Züge auf. In der Reihe der Büchner-Preisträger blickt der diesjährige Gewinner auf einen der ungewöhnlichsten Lebensläufe zurück. Reparierte der 1938 in Salzburg geborene Kappacher doch zuerst Autos und Motorräder, bevor er nach einer abgebrochenen Schauspielkarriere auf den Beruf des Reisebürokaufmanns umsattelte. Erst im Alter von knapp 30 Jahren veröffentlichte er die ersten Kurzgeschichten.

Ein ruhiger Mann der leisen Töne, der lange Jahre als literarischer Geheimtipp galt, zählt heute zu den bekanntesten österreichischen Schriftstellern. In seiner Dankesrede schilderte er seine Hinwendung zur Literatur: "Auch ich habe das Schreiben wahrscheinlich durch das Lesen erlernt", sagte er. "Für mich jedenfalls zählte immer bloß die Qualität einer künstlerischen Arbeit, egal ob sie vor 2000 Jahren oder vor 20 entstanden war". Zum Schreiben hätten ihn die Romane Franz Kafkas und der Essay "Der Erzähler" von Walter Benjamin gebracht. Hier sei ihm klar geworden, dass Literatur auch den Alltag eines Büroangestellten zum Gegenstand haben könne und dass die ersten Erzähler keine Akademiker, sondern Bauern, Seefahrer und reisende Handwerker gewesen seien: "Dann kann ja auch ich anfangen zu schreiben." (Quelle: dpa). Heute ist er Mitglied des Österreichischen P.E.N.-Zentrums und seit 2004 Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung.

Der mit 40.000 Euro dotierte Georg-Büchner Preis zählt zu den wichtigsten der deutschsprachigen Literatur. Er wurde jetzt zum Abschluss der Herbsttagung der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung im Darmstädter Staatstheater überreicht. Bereits seit 1923 wird die begehrte Auszeichnung vergeben. Die Akademie ehrt damit jährlich deutschsprachige Schriftsteller und Dichter, die durch ihre Arbeiten in besonderem Maße hervortreten und die an der Gestaltung des gegenwärtigen deutschen Kulturlebens wesentlichen Anteil haben. Seit Samstag kann sich nun auch Walter Kappacher dazuzählen.  

Mareike Palmy
02.11.2009

 
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