Glossen & Berichte

Gudrun Pausewang bekommt Preis für Lebenswerk

"Die Wolke", "Räuber Grapsch" oder "Die letzten Kinder von Schewenborn" - diese Kinderbücher haben alle eines gemeinsam:  Sie stammen aus der Feder der ehemaligen Lehrerin und Autorin Gudrun Pausewang. Nun wird die engagierte Schriftstellerin von der Deutschen Akademie für Kinder- und Jugendliteratur für ihr Lebenswerk ausgezeichnet. Am 13. November wird ihr der Große Preis 2009, der mit 3000 Euro dotiert ist, bei einem Festakt im unterfränkischen Volkach verliehen.

Die 81-jährige Pausewang - deren bürgerlicher Name Gudrun Wilcke lautet - aus dem osthessischen Schlitz hatte besonders in den 1980er Jahren mit aufrüttelnder Kinder- und Jugendliteratur rund um die Themen Rechtsradikalismus, atomare Bedrohung und Armut auf sich aufmerksam gemacht. Ihre Bücher wurden schnell zur Pflichtlektüre im Schulunterricht. "Die Wolke", eines ihrer erfolgreichsten Werke, wurde im Jahr 2006 sogar verfilmt. Viele ihrer Bücher wurden mit Preisen ausgezeichnet, 1999 wurde die Autorin selbst mit dem Bundesverdienstkreuz geehrt.

Wenn man aber meint, dass Gudrun Pausewang nur ernste und schwerverdauliche Literatur - über Atomkraft, Rechtsradikalismus, Armut - geschrieben hat, dann liegt man völlig falsch. Sicherlich ist der Schwerpunkt und die Hauptintention von Pausewangs Kinder- und Jugendliteratur das Aufrütteln und Bewusstmachen von Problemen in der Welt. Jedoch hat "Pausewang-Literatur" auch eine heitere und fröhliche Seite, wie zum Beispiel die "Räuber Grapsch" Kinderbücher der Autorin beweisen. 87 Bücher hat die Autorin veröffentlicht, zahlreiche davon wurden mit Jugendliteraturpreisen ausgezeichnet. Kritiker bemängeln den oft pessimistischen Ausgang Pausewangs Bücher, jedoch zeichnet auch gerade dies die Wirkung ihrer Werke aus. Die studierte Pädagogin zielte immer darauf ab, dass sich in Schulklassen ein Dialog zwischen den Schülern und den Lehrern einstellen sollte. So kann auch ein negatives Buchende aufgefangen werden. 

"Wer hat Angst vor Räuber Grapsch" (1984) ist ein amüsantes Kinderbuch über den sympathischen Räuber, der mit seinen zwei Meter Länge und seinem struppigen Bart zum Fürchten aussieht. Dabei ist er ein ganz netter Räuber, zwar nicht besonders klug, aber dafür unerschrocken und stark. Gekonnt nimmt Gudrun Pausewang die kleinen Leser mit auf die Abenteuerstreifzüge des mutigen Räubers, der sich im wahrsten Sinne des Wortes seine Beute „grapscht“. Dem ersten Buch folgen drei weitere, die von dem Ravensburger Verlag in einem Sammelband herausgebracht wurden. (Ravensburg: Ravensburger Buchverlag. 304 S., 9,90 Euro. ISBN: 978-3-473-52103-6. Ab 7 Jahren)

Mit dem Thema Armut in Lateinamerika befasst sich Gudruns Jugendbuch "Die Not der Familie Caldera" (1977). Durch ihre eigenen Erfahrungen als Lehrerin in Chile und Venezuela beeinflusst, schrieb Pausewang das Buch über die jungen Eltern Ramón und Rafaela Caldera. Durch einen Arbeitsunfall verliert Ramón seine Anstellung und die Familie muss ihr bescheidenes Haus in der Großstadt aufgeben. Sie sind nun gezwungen in einer Armensiedlung außerhalb der Stadt zu leben. Ramón kann seine Familie nicht ernähren, woraufhin die Kinder - vom Hunger getrieben - betteln gehen. Das lässt Ramóns Stolz nicht zu, verzweifelt versucht er sich uns seine Familie aus dieser schlimmen Situation zu befreien. 1977 wurde das Buch Pausewangs mit dem Literaturpreis Buxtehuder Bulle ausgezeichnet. (Ravensburg: Ravensburger Buchverlag. 174 S., 5,95 Euro. ISBN: 978-3-473-58031-6)

Mitten im Kalten Krieg erlebt der 12-jährige Roland Bennewitz mit seiner Familie, wie eine Atombombe ganz Mitteleuropa zerstört. Die Handlung begleitet dann Roland, wie er im Deutschland, nach der Katastrophe aufwächst. Viele Menschen leiden an der Strahlenkrankheit und auch die Spätfolgen, wie Erkrankungen oder Behinderungen Neugeborener durch die Strahlenverseuchung, werden schonungslos dargestellt. Roland ist zum Schluss des Romans 17 Jahre alt und unterrichtet Kinder in dem einigermaßen heil gebliebenen Örtchen Schewenborn, er denkt bei sich, dass dies wohl "Die letzten Kinder von Schewenborn" sind. Das Buch mit diesem Titel wurde noch im Erscheinungsjahr 1983 mit dem Preis La vache qui rit und der Buxtehuder Bulle prämiert. (Ravensburg: Ravensburger Buchverlag. 189 S., 5,95 Euro. ISBN: 978-3-473-58007-1. Ab 12 Jahren)

In dem 1987 erschienenen Jugendroman "Die Wolke", der mittlerweile zum Standardprogramm im Deutschunterricht gehört, geht die Autorin Gudrun Pausewang das Thema Atomkraft aus einem anderen Blickwinkel an. Ein Super GAU in einem Atomkraftwerk zerstört nicht nur die umliegende Gegend sondern verseucht auch weit weg liegende Teile Deutschlands. Die 14-Jährige Janna-Berta ist mit ihrem kleinen Bruder allein zu Hause, als sie von der Katastrophe erfahren. Mit ihrem Bruder flieht sie vor der giftigen Wolke, die nun auf ihren Heimatort Schlitz zukommt. Bei der Flucht wird ihr Bruder von einem rücksichtslosen Autofahrer tödlich verletzt. Janna-Berta gelingt die Flucht. Doch noch Jahre später kann sie kein normales Leben führen. Ihre Familie ist tot und ihre Tante kann mit dem Schicksal ihrer Nichte nicht umgehen. Janna-Berta hat nur noch ein Ziel, sie will ihren kleinen Bruder begraben, der noch immer an dem Unglücksort liegt. Der Roman "Die Wolke" wurde 1988 mit dem Deutschen Science Fiction Preis, dem Deutschen Jugendliteraturpreis und 2009 mit dem Eduard-Bernhard-Preis des BUND Hessen ausgezeichnet. Im Jahr 2006 wurde der Roman unter der Regie von Gregor Schnitzler verfilmt. (Ravensburg, Ravensburger Buchverlag. 223 S., 6,95 Euro. ISBN: 978-3-473-58014-9. Ab 13 Jahren)

Der autobiographische Roman "Fern von der Rosinkawiese" schrieb Gudrun Pausewang 1989 für Erwachsene. Das Buch behandelt die Kindheit und schließlich die Flucht Pausewangs, mit ihrer Mutter und ihren fünf Geschwistern nach Kriegsende. Die Rosinkawiese war ein Stück Land in Ostböhmen, dass Pausewangs Eltern vor dem Krieg urbar gemacht hatten. Dort erlebte sie eine unbeschwerte Kindheit in der Natur. Die anschließende schwere Zeit der Flucht, fand schließlich ein gutes Ende in der neuen hessischen Heimat Wiesbaden. Dem ersten Buch folgten noch zwei, der Deutsche Taschenbuch Verlag fasste diese in einem Band zusammen "Rosinkawiese - damals und heute". (München, dtv. 480 S., 12,90 Euro. ISBN: 978-3-423-13203-9)

Eine "Reise im August" tritt das jüdische Mädchen Alice an, in Gudrun Pausewangs gleichnamigem Roman an. Doch diese "Reise", wie der Großvater dem Kind beschwichtigend sagte, entpuppt sich schnell als der blanke Horror. Denn Pausewangs Roman spielt mitten im Dritten Reich. Alice und ihr Großvater werden von den Nationalsozialisten in Viehwagons abtransportiert. Unter unmenschlichen Bedingungen müssen sie in einem Konzentrationslager ausharren. Das Buch endet mit dem Betreten "der Dusche", womit dem Leser unmissverständlich der tödliche Ausgang des Romans bewusst wird. Das Jugendbuch von Pausewang wurde im Jahr 1993 auf die Empfehlungsliste des Gustav-Heinemann-Friedenspreises der Landeszentrale für politische Bildung Nordrhein-Westfalen gesetzt und wurde 1997 mit dem Birmingham Children's Book Award ausgezeichnet. (Ravensburg, Ravensburger Buchverlag. 175 S., 5,95 Euro. ISBN: 978-3-473-58040-8. Ab 12 Jahren)

Maria Merten
15.06.2009

 
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