Glossen & Berichte

Romanautor Alfred Neven DuMont: «Ich wollte es nochmal wissen»

Köln (dpa) - Alfred Neven DuMont (81), eine der letzten großen Verlegerpersönlichkeiten der Nachkriegszeit, hat einen Roman geschrieben. Damit schließt sich ein Kreis: Als Schauspieler begann er sein Erwachsenenleben, dann führte er jahrzehntelang die Mediengruppe M. DuMont Schauberg («Kölner Stadt-Anzeiger», «Kölnische Rundschau», «Express», «Mitteldeutsche Zeitung», «Frankfurter Rundschau») - nun wollte er es als Künstler noch einmal wissen. Der Protagonist im Roman «Reise zu Lena», Albert, bricht im hohen Alter aus seinem Leben aus - und klettert auf einen Baum.

Herr Neven DuMont, wann haben Sie zuletzt auf einem Apfelbaum gesessen?

Neven DuMont: «Vor unserem Haus steht noch ein einziger alter, knorriger Apfelbaum, um den ich jedes Jahr bange, ob er noch weiter lebt. Und im Herbst überschüttet er uns mit einer Flut von Äpfeln. Wir machen Saft daraus und Apfelmus, eine Großfamilie kann von diesem wunderbaren Baum leben. Aber oben drauf gesessen - ich bin ehrlich: nur in der Fantasie.»

Kann es sein, dass Albert, der «alte Mann» in Ihrem Buch, viele Dinge tut, die Sie selbst gerne tun würden?

Neven DuMont: «Da, wo er sich öffnet - ja, schon. Ich habe in diesem Buch versucht, etwas Urlaub von mir zu machen. Abstand zu gewinnen. Erstens, um die künstlerische Freiheit zu erlangen. Zweitens, weil ich nicht über mich selbst schreiben wollte - ich kenne mich ja schon. Sonst wäre es vielleicht ein Selbstporträt geworden, das nicht einmal richtig gestimmt hätte. Aber dass, wenn jemand ein Buch schreibt, die ganze Lebenserfahrung in dieses Buch eingeht, ist doch klar. Was man beschreibt, das kommt aus einem selbst, aus wem denn sonst?»

Ein Wunsch, der für Albert noch in Erfüllung geht, ist, dass er eine ersehnte Aufklärung für den Tod seiner Tochter bekommt. Gibt es solch eine Sehnsucht auch bei Ihnen, was den Verlust Ihres Sohnes vor 14 Jahren angeht?

Neven DuMont: «Nein. Null. Es gibt da kein Geheimnis. Was Albert quält, ist ja der Fluch, dass er diese Tochter nicht loslassen kann, dass er diese unglaubliche Anklage an Gott richtet. Weil er es nicht versteht, deshalb auch nicht verzeihen kann, Gott, dem Schicksal - allen, denen man verzeihen muss, wenn man seinen eigenen Kummer überwinden will.»

Warum haben Sie diesen Roman geschrieben?

Neven DuMont: «Ich habe mir überlegt: Du bist doch jetzt ein alter Mann, gönne deinen Mitarbeitern ein bisschen mehr Ruhe, der Redaktion, der Geschäftsführung. Mach was anderes, gib ein wenig nach, verschwinde ein bisschen.»

Haben Ihre Mitarbeiter etwas davon bemerkt?

Neven DuMont: «Ich fürchte nein. Ich habe am Ende mehr gearbeitet als vorher.»

Ist das nicht auch eine Sehnsucht, die sich in Albert ausdrückt? Er hat Abstand gewonnen, hat seine Firma übergeben. Während hier in Ihrem Verlag, ob es um die Übernahme der «Frankfurter Rundschau» oder der «Berliner Zeitung» geht, nichts ohne Sie entschieden wird. Sie haben nicht losgelassen. Würden Sie manchmal gerne ausbrechen, wie Albert es tut, wenn er zu Lena reist?

Neven DuMont: «Man kann ja, wenn man nicht weiter weiß, immer auf Goethe zurückgreifen: "Zwei Seelen wohnen, ach, in meiner Brust." Ich war als junger Mensch Künstler. Dann habe ich mich der Pflicht unterzogen, dieses Unternehmen zu leiten, zu gestalten und später zu prägen. Darüber ist natürlich die Sehnsucht nach der Kunst nie verloren gegangen. Wenn auch diese beiden Berufe Künstler und Verleger einander überlappen, haben sie doch verschiedene Wurzeln. Und jetzt wollte ich es halt noch mal wissen.»

Alfred Neven DuMont: Reise zu Lena
Frankfurter Verlagsanstalt, Frankfurt/Main
255 Seiten, 19,90 Euro
ISBN: 978-3-62-700158-2

Kurzportrait:

Köln (dpa) - Alfred Neven DuMont (81), der gerade den Roman «Reise zu Lena» veröffentlicht hat, prägt seit Jahrzehnten das Medienhaus M. DuMont Schauberg (MDS). 1927 als Spross einer Kölner Verlegerdynastie geboren, die bis ins 17. Jahrhundert zurückreicht, wollte Neven DuMont zunächst Schauspieler werden. Doch dann volontierte er bei Springer und der «Süddeutschen Zeitung» und lernte in Chicago den US- Medienmarkt kennen.

1953 trat er in den Verlag seines Vaters ein und übernahm die publizistische Leitung beim «Kölner Stadt-Anzeiger». 1964 gründete er das Boulevardblatt «Express». Heute erscheinen auch die «Mitteldeutsche Zeitung», die «Frankfurter Rundschau» und die «Kölnische Rundschau» bei MDS. In diesem Jahr übernahm die Gruppe auch noch die «Berliner Zeitung» und die «Hamburger Morgenpost».

 
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