Glossen & Berichte

Leichte Lesekost statt «schwerer Schinken» für den Urlaubskoffer

Hamburg (dpa) - Leichte Lesekost ist angesagt, wenn es ans Packen des Ferienkoffers geht. Von Liebe, Lust und guter Laune, von Erinnerungen an Kindheitssommer und Urlaubserlebnissen der besonderen Art handeln viele aktuelle Romane im handlichen (Taschenbuch-)Format, die sich bestens als Unterhaltung in den schönsten Wochen des Jahres eignen.

Mit ihrer witzigen Familiengeschichte über einen denkwürdigen «Urlaub mit Papa» hat Dora Heldt sogleich die Herzen der Leser erobert. Die Abenteuer der 45-jährigen Christine mit ihrem 73- jährigen Vater Heinz, den ihr die Mutter in ihren so dringend notwendigen Ferien auf Norderney «aufs Auge» gedrückt hat, bringt die Leser - wie ein Internet-Rezensent meint - «zum lachen bis die Tränen kommen». Eine ausführliche Rezension zu diesem Buch finden Sie hier.

Auf Sylt spielt die flüssig geschriebene Lovestory «Reif für die Insel» von Gisa Pauly: Nach dem Ende seiner Ehe und dem beginnenden Rosenkrieg mit seiner Noch-Ehefrau fährt der Mittvierziger Paul nach Sylt, um sich zu erholen. Auf der Insel hatte er einst seine große Liebe Sophia gefunden und gleich wieder verloren. Noch ahnt er nicht, dass sie ihm bald am Strand über den Weg laufen wird.

Die passende Lektüre für männliche Urlauber könnte Hugh Lauries «aberwitzige Parodie auf den Spionageroman» («Vanity Fair») sein. In «Bockmist» dreht sich alles um den sogenannten Sicherheitsberater Thomas Lang, der viel von Nahkampftechniken und nichts von Frauen versteht. Kein Wunder also, das Lang in höchst komische Situationen gerät, denn er verliebt sich ausgerechnet dann, wenn ihm der Affären- Sumpf um Drogen und Waffenhandel bis zum Halse steht.

Nach Italien zog es Stefan Ulrich beileibe nicht zum Urlaubsvergnügen: Der Auslandskorrespondent siedelte mit der Familie aus beruflichen Gründen nach Rom - und erlebte die liebenswert- chaotische Stadt zunächst mit teutonischem Verblüffen. Sein augenzwinkernder Bericht «Quattro Stagioni. Ein Jahr in Rom» ist höchst amüsant zu lesen, auch wenn es der Familie Ulrich am Anfang nicht immer leicht fiel, «Bella Figura» zu machen. Aus der Feder von Matthias Poliycki stammt ein herrlich komischer Roman über die unvergessliche Reise des Finanzbeamten Fichtl aus dem bayerischen Oberviechtach, der dank eines Lottogewinns - von seiner Tippgemeinschaft mit Motivkrawatten und einem «Aldi-Smoking» ausgestattet - eine Weltreise an Bord der MS Europa antritt. «In 180 Tagen um die Welt», und dies mit Fünfsterneplus-Service, erlebt Fichtl in 184 Episoden das Abenteuer seines Lebens und jede Menge skurrile Mitreisende.

«Ich habe selten ein Buch erlebt, bei dem ich so gefühlt und gespürt, gerochen und geschmeckt habe: Die warmen Sommer, den Moder der Vergangenheit», jubelte die Kritikerin von «Frau TV» nach der Lektüre von Katharina Hagenas Debütroman «Der Geschmack von Apfelkernen». Ein bisschen traurig, aber dennoch tröstlich kommt die Geschichte von Iris daher, die nach langer Zeit wieder im alten Haus der Großmutter steht, wo sie als Kind in den Sommerferien mit ihrer Cousine Verkleiden spielte. Der Saga über drei Generationen von Frauen einer Familie gesteht die Kritik übereinstimmend einen Platz ganz oben auf den Bestsellerlisten zu.

In einen vergangenen Sommer in einer Kleinstadt an der Ostsee führt auch Siegfried Lenz in seiner neuesten Erzählung «Schweigeminute» zurück. Ein melancholisches Timbre schwingt in der Novelle mit, die die heimliche Liebe zwischen einer Lehrerin und ihrem Schüler zum Beispiel für die Vergänglichkeit und die Unmöglichkeit vollendeten Glücks erhebt. «Der große alte Mann der deutschen Literaturszene erzählt zum ersten Mal eine Liebesgeschichte», freut sich eine online-Rezensentin, und zwar eine, die nicht nur eingeschworene Lenz-Fans begeistern wird. Eine Rezension zu diesem Buch finden Sie hier.

Sommerferien auf dem Gutshof der Großeltern erlebt ein kleines Mädchen in den Sechziger Jahren als Abenteuer im Paradies, in dem sich Opa, gleich mehrere Onkel, die Haushälterin und jede Menge lebende und ausgestopfte Tiere tummeln. Die fiktiven Erinnerungen der Dänin Iselin C. Hermann «Sommer war es» sind als Reminiszenz an die magische Zeit der Kindheit geschrieben, in der Erwachsene riesige Nasenlöcher haben und manchmal Dinge sagen, die man nicht wirklich versteht. Weit zurück liegt auch Ann Brashares Geschichte «Unser letzter Sommer», in der die Schwestern Riley und Alice nach Jahren der steten Wiederkehr in einen kleinen Urlaubsort auf Fire Island feststellen, dass ihre Kindheit vorbei ist. Mit Wärme und Humor ruft die Amerikanerin eine Zeit der Unbefangenheit zurück und weckt damit die Sehnsucht der Leser nach ihrer eigenen Jugend. Eine Rezension zu diesem Buch finden Sie hier .

Der geschichtlich so überaus bedeutsame Sommer 1939 dient Wiebke Eden als Hintergrund für ihre Liebesgeschichte «Die Zeit der roten Früchte»: Gretas behütetes Leben in einem Ort nördlich von Stettin erfährt eine schmerzhafte Wendung, als ihre Liebe Johannes und der Vater einberufen werden, sie selbst indessen als Straßenbahnschaffnerin arbeiten muss. Der ausgebrochene Krieg macht jede sichere Zukunftsplanung zunichte. Von Liebe in unruhigen Zeiten handelt auch Gabriela Jaskullas neuer, sorgfältig recherchierter Roman «Die Geliebte des Trompeters»: 1947, der Krieg ist vorbei, kommt ein junger amerikanischer Soldat in das zerstörte Berlin und verliebt sich in ein «deutsches Frollein», das zufällig am Straßenrand steht. Die Liebenden ahnen noch nicht, dass sie einmal die Weltkarriere des jungen GI als Jazzmusiker Chet Baker für immer trennen wird. Eine ausführliche Rezension zu diesem Buch finden Sie hier .

Eine Zeitreise in das Spanien der Sechziger Jahre unternimmt der Leser von Juan Marsés wieder aufgelegtem Klassiker «Letzte Tage mit Teresa», dessen leichte, freche, mitunter verspielte und für das prüde Spanien Francos gewagte Prosa selbst Mario Vargas Llosa begeisterte. Die Dreiecksgeschichte von Manolo, Maruja und Teresa spiegelt das Lebensgefühl der jungen Menschen von damals, das von Motorrädern, Stränden, Villen, Bikinis und der Liebe bereichert wurde. Ebenfalls im neuen Gewand ist Erich Kästners verschmitzt- komödiantisches Meisterstück «Der kleine Grenzverkehr» wieder erschienen, jene auf autobiografischen Erlebnissen beruhende Posse um den Privatgelehrten Rentmeister, der 1937 die Salzburger Festspiele besuchen will, aber nicht die Erlaubnis erhält, deutsches Geld nach Österreich auszuführen. So logiert er in Bad Reichenhall und pendelt - ohne einen Pfennig in der Tasche - täglich über die Grenze.

Als Arbeiter im Garten der Erinnerung zeigt sich der Niederländer Cees Nooteboom in seinem neuen Band «Roter Regen», in dem er einen Strauß sehr heiterer, sehr persönlicher und leichter Geschichten gebunden hat, mit denen sich «Die Zeit» beschenkt fühlt. Mal grotesk- komisch, dann wieder aufregend abenteuerlich erinnert sich der Schriftsteller, der im Juli 75 Jahre alt wird, an vertraute Orte, Freundschaften und seine Jugend zurück.

Ann Brashares:    
Unser letzter Sommer
Bertelsmann Verlag, München
320 S., Euro 17,95
ISBN 978-3-5700-1005-1
(Eine ausführliche Rezension zu diesem Buch finden Sie hier)

Wiebke Eden:
Die Zeit der roten Früchte
Verlag Arche, Zürich/Hamburg
237 S., Euro 19,00
ISBN 978-3-7160-2375-4
(Eine ausführliche Rezension zu diesem Buch finden Sie hier)

Joanne Fedler:
Weiberabend
Knaur Verlag, München
384 S., Euro 12,95
ISBN 978-3-4266-6311-0

Katharina Hagena:
Der Geschmack von Apfelkernen
Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln
256 S., Euro 16,95
ISBN 978-3-4620-3970-2

Dora Heldt:
Urlaub mit Papa
dtv, München
Taschenbuch
320 S., Euro 12,00
ISBN 978-3-4232-4641-5
(Eine ausführliche Rezension zu diesem Buch finden Sie hier)

Iselin C. Hermann:
Sommer war es
Suhrkamp Verlag, Frankfurt
Taschenbuch
150 S., Euro 7,50
ISBN 978-3-5184-5971-3

Gabriela Jaskulla:
Die Geliebte des Trompeters
dtv, München
Taschenbuch
224 S., Euro 9,95
ISBN 978-3-4232-1058-4

Erich Kästner:
Der kleine Grenzverkehr oder Georg und die Zwischenfälle
Atrium Verlag, Zürich
138 S. m. Abb. u. Anm., Euro 12,00
ISBN 978-3-8553-5983-7

Hugh Laurie:
Bockmist
Heyne Verlag, München
Taschenbuch
447 S., Euro 8,95
ISBN 978-3-4534-3324-3

Siegfried Lenz:
Schweigeminute
Verlag Hoffmann und Campe, Hamburg
128 S., Euro 15,95
ISBN 978-3-4550-4284-9
(Eine ausführliche Rezension zu diesem Buch finden Sie hier)

Juan Marsé:
Letzte Tage mit Teresa
Wagenbach Verlag, Berlin
Taschenbuch
450 S., Euro 14,90
ISBN 978-3-8031-2587-3

Cees Noteboom:
Roter Regen: Leichte Geschichten
Suhrkamp Verlag, Frankfurt
239 S. m. Abb., Euro 19,80
ISBN 978-3-5184-1926-7

Gisa Pauly:
Reif für die Insel
Aufbau-Verlag, Berlin
Taschenbuch
152 S., Euro 9,95
ISBN 978-3-3520-0756-9

Matthias Politycki:
In 180 Tagen um die Welt
Mare Buchverlag, Hamburg
383 S., Euro 24,90
ISBN 978-3-8664-8080-3

Stefan Ulrich:
Quattro Stagioni. Ein Jahr in Rom
Ullstein Verlag, Berlin
Taschenbuch
320 S., Euro 9,00
ISBN 978-3-5482-6854-5

 
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