Buch des Monats Dezember 2015

Teil vier der Millenium-Trilogie

Mikael Blomkvist und Lisbeth Salander sind zurück. Für das ungleiche Paar hält das Leben auch nach der Millennium-Trilogie noch einige Überraschungen bereit. In Blomkvists Zeitschrift "Millennium" wird zu seinem Unmut seitens der neuen Investoren massiv reinregiert, außerdem muss sich der einstige Stern am Journalisten-Himmel mit kritischen Stimmen auseinander setzen, die ihm nachsagen, dass seine besten Tage längst hinter ihm lägen. Seine ehemalige Partnerin Lisbeth Salander hatte im letzten Band "Vergebung" ordentlich zu knabbern gehabt. Erst war ihr Vater, mit dem sie sich eine gewalttätige Auseinandersetzung geliefert hatte, im Krankenzimmer nebenan ermordet worden, am Ende musste sie gar ihren Halbbruder im wahrsten Sinne des Wortes auf den Boden nageln.

Im neuesten Plot kehrt der Programmierer Frans Balder nach einer längeren Zeit im Ausland wieder in seine schwedische Heimat zurück. Dort freut er sich auf die gemeinsame Zeit mit seinem Sohn August, der an Autismus leidet. Leider ist das Vater-Sohn-Glück nur von kurzer Dauer, da Balder in seinem Haus ermordet wird. Die Täter hatten es darüber hinaus auf seinen Rechner abgesehen. Für Mikael Blomkvist bedeuten der Mord an Balder und der Diebstahl von dessen Unterlagen eine gute Gelegenheit, wieder einmal investigativ zu recherchieren. Dabei findet er rasch heraus, dass sich Balder mit zukunftsweisenden Möglichkeiten im Bereich der künstlichen Intelligenz beschäftigt hatte, die garantiert für viele Mächte des Erdballs hochinteressant sind. Rasch wird auch Lisbeth Salander in die Angelegenheit verwickelt, und nicht nur sie: Mit dem amerikanischen Geheimdienst NSA ist rasch ein Gegner am Start, der selbst für Blomkvist und Salander eine Nummer zu groß sein könnte. Zusätzlich scheinen Balders hinterbliebener Sohn August autistische Talente zu eigen zu sein, die das eine oder andere Geheimnis ans Tageslicht befördern könnten.

"Verschwörung" heißt das Werk, in dem Blomkvist und Salander ihr Comeback wagen. Es ist ein höchst kurioses Vergnügen, den vierten Band zu einer Trilogie vor sich liegen zu haben. Doch ist die Geschichte dahinter mindestens genauso spannend wie das Buch selbst. Stieg Larsson ist der Mann, der sich Blomkvist, Salander und die Millennium-Polylogie ersonnen hatte. Vor seinem plötzlichen Tode im Jahre 2004 hatte der Journalist und politische Linksaußen drei Bände um die beiden Protagonisten zu Papier gebracht, darüber hinaus einen vierten fast fertiggestellt und für zwei weitere Bände zumindest ein Exposé verfasst. Larssons Absicht war ursprünglich eine Millennium-Dekalogie, sprich eine auf zehn Bände angelegte Geschichte. Diese Pläne wurden durch den jähen Tod des Autors jedoch früh durchkreuzt. Nichtsdestotrotz erschienen die ersten drei Bände posthum und wurden zu einem sensationellen Erfolg. Seitdem spricht man trotz der ursprünglich weitergehenden Absichten des Autors von der Millennium-Trilogie, einer der herausragenden belletristischen Erscheinungen im bisherigen 21. Jahrhundert.

Doch da Menschen selbst Tote nicht ruhen lassen, wenn dabei Geld zu verdienen sein könnte, sind die Diskussionen und Ideen um die Veröffentlichungen weiterer Bände seit dem Erscheinen des dritten Teils omnipräsent. Erschwerend kommt diesbezüglich der Erbschaftsstreit zwischen Larssons langjähriger, aber nicht geehelichter Lebensgefährtin und den beiden – eben aufgrund des fehlenden Eheversprechens – rechtmäßigen Erben, Vater und Bruder Stieg Larssons, hinzu. Letztere besitzen die Rechte an Larssons Opus, die hinterbliebene Partnerin jedoch den Laptop mit Entwürfen und Exposés. So kam es wie es kommen musste: Mit David Lagercrantz wurde unter Zustimmung von Vater und Bruder ein prominenter schwedischer Autor von Larssons Verlag damit beauftragt, die Geschichte von Blomkvist und Salander fortzuführen, ohne dabei auf das fast fertige Manuskript Larssons zurückgreifen zu können. Wenig verwunderlich ist daher, dass das Erscheinen des vorliegenden Buchs eine meterhohe Diskussionswelle mit sich brachte. Neben den Befürwortern, die ihren Charakteren mit Begeisterung in ein neues Abenteuer folgen dürfen, gibt es natürlich zahlreiche Kritiker, die das Vorgehen des Verlags und die Zustimmung von Larssons Erben rigoros verurteilen.

Zurück zur eigentlichen Geschichte: Lagercrantz hat mit "Verschwörung" eine Steilvorlage erhalten, die er keineswegs ausschlagen durfte. Denn wer findet schon Voraussetzungen wie diese vor, wo er zwei weltberühmte Protagonisten auf dem Silbertablett geliefert bekommt, um die herum er lediglich eine neue Handlung konzipieren muss. Der Plot als solcher ist handwerklich gut gemacht und sicherlich auch im Sinne von Blomkvist und Salander sowie dem geistigen Vater. Doch bemerkt man beim Lesen rasch einen stilistischen Unterschied zu den Vorgängerbänden. Eine Erklärung ist neben dem banalen Fakt der unterschiedlichen Autorenschaft sicherlich auch, dass "Millennium" für einen Idealisten wie Stieg Larsson eine Herzensangelegenheit war, während es für Lagercrantz zwar kein alltäglicher, aber letztlich doch nur ein Schreibauftrag war. Sollte sich der Erbschaftsstreit wie zu erwarten nicht auflösen, dürfte auf absehbare Zeit nicht damit zu rechnen sein, dass es einen nächsten Band zur Millennium-Trilogie oder -Tetralogie geben wird. Ein Grund mehr, sich trotz aller Vorbehalte "Verschwörung" für die bevorstehenden lichtarmen Leseabende zu krallen.

Christoph Mahnel
26.11.2015

 
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Das Buch:

David Lagercrantz: Verschwörung. Aus dem Schwedischen von Ursel Allenstein

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München: Heyne Verlag 2015
608 S., € 22,99
ISBN: 978-3-453-26962-0

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