Buch des Monats November 2014

"I have a dream"

Ost-Berlin im Jahre 1961: Rebecca Hofmann ist entsetzt, als sie feststellen muss, dass ihr Ehemann Hans ein Stasi-Offizier ist, der vor einigen Jahren als solcher auf Rebeccas Familie angesetzt worden war. Ihr Leben scheint ein einziger Scherbenhaufen, nachdem sie realisiert hat, auf welchem Truggebilde ihre Ehe geschlossen wurde. Schlimmer noch, ihre vehemente Zurückweisung gegenüber Hans wird in den kommenden Jahrzehnten wie ein Fluch über der gesamten Familie liegen. In den Vereinigten Staaten führt George Jakes als Farbiger einen leidenschaftlichen Kampf; zwar gestaltet er als Berater des Justizministers Bobby Kennedy bereits die Politik mit, doch stehen der von ihm unterstützten Bürgerrechtsbewegung immer noch zu viele konservative Kräfte im Wege. George weiß, dass er einen langen Atem brauchen wird, um die Gleichberechtigung zwischen Schwarz und Weiß nicht nur in Gesetzestexte, sondern vor allem auch in die Köpfe der Menschen bekommt.

In der Sowjetunion ist es der junge Dimka Dworkin, der als Vertrauter von Staatsoberhaupt Nikita Chruschtschow der Schaltzentrale der Macht ganz nahe steht. Doch sein Chef wird ob seiner Offenheit und seines Reformwillens innerparteilich mit Argusaugen beobachtet. Kann Dimka mit Hilfe seiner Schwester Tanja, einer regimekritischen Journalistin, die Geschehnisse im Kreml positiv beeinflussen? In London begehrt der junge und rebellische Dave Williams gegen seinen konservativen Vater auf, wirft seine phantastischen Ausbildungs- und Karrierechancen über Bord und folgt besessen seiner Obsession, der Musik. Wird seiner Band "Plum Nellie" jemals der Durchbruch gelingen?

Ken Follett hatte mit "Sturz der Titanen" und "Winter der Welt", den ersten beiden Teile seiner gefeierten Jahrhundert-Saga, bereits den Boden für den Schlussteil dieser Trilogie bereitet. Vier Jahre nach dem Erscheinen des ersten Teils findet dieses das 20. Jahrhundert umspannende Epos seinen krönenden Abschluss. "Kinder der Freiheit" nimmt die in den ersten beiden Büchern vorgesponnen Fäden der verschiedenen Erzählstränge im Jahre 1961 auf und lässt die weltgeschichtlichen Ereignisse der Sechziger, Siebziger und Achtziger Jahre Revue passieren. Durch die Nähe der fiktiven Gestalten zu den historischen Persönlichkeiten ist es keine schlichte Aneinanderreihung geschichtlicher Fakten, sondern Follett taucht ein in die Beweggründe der Strippenzieher und gibt tiefe Einblicke in geschichtliche Zusammenhänge, die einem derart trotz zahlloser Fernseh-Dokumentationen von Guido Knopp und Co. nicht bewusst waren.

Das vorliegende Hörbuch zu "Kinder der Freiheit" ist als bearbeitete, sprich gekürzte Fassung zur Buchvorlage erschienen. Mit 12 CDs und knapp 15 Stunden reicht es von der Monumentalität her zwar nicht an die 1200-seitige Buchvorlage heran, ist aber doch prädestiniert dafür, den Hörer über einige Tage hinweg in den Bann zu ziehen. Die primären Gründe dafür liegen auf der Hand und sind deren zwei. Neben der allseits bekannten Erzählkunst Ken Folletts zeigt hierfür definitiv Johannes Steck verantwortlich. In erfreulicher Kontinuität zu den Hörbüchern der beiden ersten Teile sitzt auch für "Kinder der Freiheit" wieder der 48-jährige Schauspieler am Mikrofon. Steck liest die Passagen mit Hingabe und entfacht beim Hörer das Feuer. Des Weiteren beweist Lübbe Audio als herausgebender Verlag, wie wirkungsvoll bereits der dosierte Einsatz einer musikalischen Untermalung sein kann.

Follett spart in "Kinder der Freiheit" keines der für die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts wegweisenden Ereignisse aus. Beginnend mit dem Mauerbau am 13. August 1961 in Ost-Berlin wandert im Anschluss der Fokus über den großen Teich, wo die Kubakrise und die immer größer werdende Bürgerrechtsbewegung unter Martin Luther King die Schlagzeilen beherrschen. Schließlich ist es das Attentat Kennedys in Dallas, das nicht nur einigen der Protagonisten in "Kinder der Freiheit" sehr nahe geht, sondern auch für die gesamte Weltbevölkerung einen Moment bedeutet, an dem die Welt still zu stehen scheint. Der Vietnamkrieg wirft seine Schatten voraus, während sich in den USA die Bürgerrechtsbewegung mit den "Black Panther" radikalisiert. Nach dem Watergate-Skandal nimmt das vorliegende Hörbuch wieder in Europa Fahrt auf. Über die polnische Solidarnosc-Bewegung kommt es 1989 schließlich zum Zusammenbruch der kommunistischen und sozialistischen Regime in Osteuropa, was abgesehen von dem kleinen Epilog im Jahre 2008 den Abschluss von "Kinder der Freiheit" bildet.

Wie schon in den beiden ersten Teilen hat der Autor auch im vorliegenden Finale der Trilogie wunderbare Charaktere geschaffen, die einen beinahe schon persönlich berühren und deren Werdegang daher mit hochgradigem Interesse verfolgt wird. Neben dieser wunderbaren Umsetzung der belletristischen Elemente liefert Follett zugleich Geschichtsunterricht par excellence ab. Dank seiner brillanten Recherche und seines unerschöpflichen Erzähltalents hat er mit der "Jahrhundert-Saga" ein epochales Werk geschaffen, das in Ken Folletts Bibliographie trotz zahlreicher namhafter Werke wie "Die Nadel" oder "Die Säulen der Erde" einen Platz ganz weit oben einnehmen wird und dem 65-jährigen Waliser endgültig lebenslangen Aufenthalt im schriftstellerischen Olymp der Neuzeit gewähren wird.

Christoph Mahnel
10.11.2014

 
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Das Buch:

Ken Follett: Kinder der Freiheit

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Sprecher: Johannes Steck
Köln: Lübbe Audio 2014
Spieldauer: 889 Min., € 22,99
ISBN: 978-3-785-75004-9

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