Buch des Monats - Januar 2008

Wenn Dinge sich ändern: Mitchells grandioser Roman einer Jugend

Dass David Mitchell Weltliteratur schreibt, hat ihm bereits die «Neue Zürcher Zeitung» bescheinigt. Seit seinem bemerkenswerten Bestseller «Wolkenatlas» warteten die Leser gespannt auf Neues aus der Feder des 38-jährigen Briten. Sein jüngster Roman «Der dreizehnte Monat» fängt auf unvergleichliche Weise nicht nur die widersprüchlichen Gefühle seines kleinen Helden ein, sondern die Stimmungen britischer Alltagsmenschen in der Thatcher-Ära gleich mit.

Wenn Mitchell schon im «Wolkenatlas» sein großes erzählerisches Talent präsentiert hat, dann übertrifft er sich hier noch.

Die Hauptfigur des Buches, Jason Tayler, ist dreizehn Jahre alt und alles andere als ein Held. Am liebsten wäre er unsichtbar, um den Pöbeleien und Drangsalierungen anderer Jugendlicher zu entgehen - und auch, um die ständigen Streitereien seiner Eltern nicht miterleben zu müssen. Wir schreiben das Jahr 1982, der Falklandkrieg tobt und in Jason brodelt es gewaltig. Wegen seines Stotterns fühlt er sich wie ein Spielzeug, das «in der Fabrik falsch zusammengelötet» wurde.Erwachsene kommen ihm sonderbar vor und wenn er ins Visier anderer Jungs gerät, bricht ihm «an fünfzig verschiedenen Stellen der Schweiß aus».

Kein Wunder also, dass Jason lieber vorsichtig beobachtet als mitzumischen. Mit seinen Augen erschließt sich dem Leser die wunderbar-magische, oft bedrohliche, manchmal auch sehr komische Welt eines Jungen an der Schwelle zur Pubertät. Wie Jason erkennt der gebannte Leser, dass «die wenigsten Dinge bleiben, was sie sind, wenn man lange genug über sie nachdenkt».

Zwölf Monate lang ist Jason noch das verzagte Kind, im dreizehnten aber springt er über seinen Schatten und stellt sich der Wirklichkeit. Er lässt eine Bande Gleichaltriger auffliegen, die ihm und anderen Mitschülern unter Drohungen Geld abgepresst hat, er lernt die rätselhaften Geschöpfe, die man Mädchen nennt, besser kennen und er nimmt Abschied von seiner kindlichen Vorstellung von der heilen Familie.

Von der ersten bis zur letzten Zeile trifft Mitchell in den Dialogen den Jargon der Zeit, und er wird der fantastischen Vorstellungskraft der Romanfigur durch seine Sprachschöpfungen mehr als gerecht. Die hohe Erzählkunst und immer wieder überraschende Themen wecken Vorfreude auf weitere Bücher von David Mitchell.

Susanna Gilbert-Sättele (dpa)
02.01.2008

 
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Das Buch:

David Mitchell: Der dreizehnte Monat

Reinbek: Rowohlt Verlag 2007
494 S., € 19,90
ISBN: 978-3-4980-4504-3

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