Buch des Monats Juni 2018

Schöner Schein

In Shaker Heights, einer beschaulichen Planstadt in der Nähe von Cleveland, lebt Familie Richardson: der Vater Anwalt, die Mutter Journalistin, die vier Kinder Trip, Lexie, Moody und Izzy mehr oder weniger gut geraten und auf dem Weg in Richtung Princeton oder Yale. Die Ordnung, die in Shaker Heights und in den meisten Familien, die dort leben, zumindest nach außen hin herrscht, scheint nichts und niemand durcheinander bringen zu können, bis eines Nachts das Haus der Richardsons in Flammen aufgeht. In jedem einzelnen Schlafzimmer war ein Feuer gelegt worden.

Wie es dazu kommen konnte, wird rückblickend erzählt. Elena Richardson, die sich mit ihrem Mann, ihren Kindern und ihrem Job gesegnet fühlt, verspürt ab und zu den Drang, etwas von dem Guten, das ihr im Leben widerfahren ist, an solche, die weniger üppig vom Leben bedacht wurden als sie, zurückgeben zu wollen. Deshalb vermietet sie ihr zweites Haus in Shaker Heights immer an weniger gut Betuchte, die etwas Hilfe gebrauchen können. Eines Tages zieht die chaotische Künstlerin Mia Warren mit ihrer Tochter Pearl in das Haus ein. Mia war bislang eine moderne Nomadin gewesen, die mit ihrer Tochter immer dann in eine neue Stadt gezogen ist, wenn sie ihre Inspiration verloren hat. Nun aber möchte sie ihrer Teenager-Tochter ein echtes Zuhause bieten und sich niederlassen.

Pearl freundet sich schnell mit den Richardson-Kindern, insbesondere Moody und Lexie, an. Sowohl Pearl als auch Moody und Lexie lernen in dieser Freundschaft jeweils ein ganz anderes Leben kennen. Pearl kennt keinen Wohlstand und die Richardson-Kinder sind begeistert von der Freizügigkeit Mias. Doch egal, ob schöner Schein des Wohlstands oder schöner Schein von freier Erziehung - beide Familien haben auch ihre dunklen Seiten und konnten diese bisher ganz gut vor dem Rest der Welt verbergen. Doch je enger die Bande zwischen den beiden Familien werden, desto offensichtlicher werden die Gegensätze zwischen den Richardsons und den Warrens, und die Gefahr, dass die Seifenblasen platzen, wird immer größer.

"Kleine Feuer überall" ist der zweite Roman der Schriftstellerin Celeste Ng, die selbst in Shaker Heights aufgewachsen ist. Die US-Amerikanerin debütierte bereits mit "Was ich euch nicht erzählte" auf ganz hohem Niveau. Auch mit "Kleine Feuer überall" landete sie wieder einen New-York-Times-Bestseller. Sie liefert damit ein Psychogramm zweier amerikanischer Familien, das einen hinter die Fassade blicken lässt und dabei die natürliche Neugier und Sensationslust des Menschen befriedigt. Das an sich schon ungeheuer fesselnde Richardson-Warren-Drama wird in einer ungekürzten Lesung von Britta Steffenhagen, die bereits Ngs ersten Roman vertont hat, meisterlich und atmosphärisch vorgetragen.

Ein Roman bzw. ein Hörbuch wie "Kleine Feuer überall" begegnet selbst fleißigen Lesern/Hörern nur alle paar Jahre einmal. Diese speziellen Romane zeichnet nicht nur aus, dass man sie am liebsten in einem Zug verschlingen möchte, sondern auch, dass sie einen nachhaltigen Effekt haben. Sie hinterlassen etwas, ein Gefühl, eine Erinnerung, ein Bild, das selbst Jahre später noch abrufbar ist, wenn man sich an diese Geschichte erinnert.

Sabine Mahnel
04.06.2018

 
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Das Buch:

Celeste Ng: Kleine Feuer überall. Aus dem Englischen von Brigitte Jakobeit

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Sprecherin: Britta Steffenhagen
Berlin: Der Audio Verlag 2018
Spielzeit: 697 Min., € 22,00
ISBN: 978-3-7424-0404-6

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