Wissenschaft

Der anti-germanische Schutzwall

Der Expansionsdrang des Imperium Romanum kannte vor zwei Jahrtausenden nahezu keine Grenzen. In alle Himmelsrichtungen wuchs das Römische Reich, Völker wurden unterjocht und in Provinzen meist mehr schlecht als recht befriedet. Doch in nördlicher Richtung waren die Römer immer wieder auf Probleme gestoßen. Das grobschlächtige und ungebildete Volk der Germanen war höchst unbeugsam. Obgleich sie sich kaum in organisierten Verbänden zusammenschlossen, fügten sie den disziplinierten römischen Truppen die eine oder andere schmerzliche Niederlage zu. Höhepunkt war sicherlich die verheerende Vernichtung des Varus in der Schlacht nahe Kalkriese im Jahre 9 n. Chr. So überrascht es retrospektiv wenig, dass die Römer im zweiten nachchristlichen Jahrhundert ihre nördliche Reichsgrenze mit einem aufwändig errichteten Grenzwall sicherten. Der Limes war geboren.

Entsprechend den drei - von Britannien einmal abgesehen - nördlichsten Provinzen des Römischen Reichs, als da wären Germania Inferior, Germania Superior und Raetia, spricht man bei besagtem anti-germanischen Schutzwall vom Niedergermanischen Limes sowie vom Obergermanisch-Raetischen Limes. Der Niedergermanische Limes erstreckt sich über 380 Flusskilometer von der Nordsee bis nach Remagen und wird auch gerne als der "nasse" Limes bezeichnet. Schließlich wird er komplett durch den Rhein gebildet, eine perfekt zu sichernde Grenze. Anders kommt da schon der Obergermanisch-Raetische Limes daher, mit ca. 550 km ist er nicht nur deutlich länger als sein westliches Gegenstück, sondern repräsentiert mit seinen aufwändig angelegten Schutzwällen, Palisaden und Kastellen auch das Bild vom Limes, das in den Köpfen bis ins heutige 21. Jahrhundert überdauert hat.

Der vorliegende, im Theiss Verlag erschienene Band "Der Limes" ist ein inhaltlich gelungenes Kompendium über diese römische Nordgrenze und überzeugt mit einer hochwertigen Aufmachung. Die beiden Autoren sind, was Publikationen zu den Römern im Allgemeinen und zum Limes im Speziellen betrifft, beileibe keine Novizen. Der Archäologe Dr. Marcus Reuter ist Direktor des Rheinischen Landesmuseums in Trier, sein Kollege Dr. Andreas Thiel war maßgeblich an der Aufnahme des Obergermanisch-Raetischen Limes als UNESCO-Weltkulturerbe beteiligt. In einem für Interessenten jeden Tiefgangs ansprechenden Werk haben die beiden Limes-Experten den aktuellen Stand der Forschung zusammengetragen und mit eindrucksvollen Bildern garniert.

Die geradlinige Struktur des vorliegenden Buches spiegelt die Klarheit wider, mit der die beiden Autoren das Material aufbereitet haben und es dem Leser präsentieren. "Der Limes" ist in fünf Kapitel gegliedert, wobei sich das erste mit der geschichtlichen Entwicklung beginnend mit Caesar und Augustus, der Varusschlacht als zentralem Element bis hin zum Aufbau eines Schutzwalls an den Nordgrenzen des Römischen Reichs beschäftigt. Es folgen anschließend die drei von Westen nach Osten ausgerichteten Kapitel über den Limes als solchen. Dabei bewegen sich die Autoren entlang der Grenzen von Germania Inferior, Germania Superior und Raetia, widmen dem Niedergermanischen Limes ein Kapitel und teilen den Obergermanisch-Raetischen Limes in zwei Kapitel auf, eines für jede Provinz. Abschließend richten sie ihre Blicke wieder zurück auf die Geschichte und schildern, wie der Limes Jahrhunderte später peu à peu aufgegeben, hier und da versetzt und schließlich ganz fallen gelassen wurde.

Anschauliches Kartenmaterial in allen Kapiteln erlaubt dem Leser eine hervorragende Navigation, insbesondere in den drei zentralen Kapiteln, wenn sich die Autoren entlang des Limes ostwärts fortbewegen und die markantesten Stellen der fast eintausend Kilometer langen Grenze näher beschreiben. Reuter und Thiel verstehen es exzellent, die Dokumentation des aktuellen Stands zur Limesforschung in einem modernen Stil vorzunehmen. Zahlreiche optisch sich absetzende Einschübe lockern die wissenschaftliche Strenge durch die Eingliederung von Nebenaspekten oder die Beantwortung von naheliegenden Fragen auf. Mit knapp 50 Euro ruft "Der Limes" zwar einen ordentlichen Preis auf, doch hat Qualität nun mal selbigen. Der interessierte Leser tut gut daran, hier in ein Werk zu investieren, das durch Aktualität, eine umfassende Abhandlung zum Thema sowie eine unterhaltsame Aufbereitung besticht und in allen Aspekten die volle Punktzahl erhält.

Christoph Mahnel
21.09.2015

 
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Das Buch:

Marcus Reuter, Andreas Thiel: Der Limes: Auf den Spuren der Römer

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Darmstadt: Theiss Verlag 2015
224 S., € 49,95
ISBN 978-3-806-22760-4

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