Wissenschaften

Die Wissenschaft vom Übersetzen

Man könnte als Leser meinen, dass Bücher eigentlich nur eine Ansammlung von Buchstaben sind, die Wörter bilden, die zu Sätzen werden. Da sollte es eigentlich keine größeren Schwierigkeiten bereiten, den Text aus einer fremden Sprache in eine andere Sprache zu übersetzen. Der Übersetzer muss lediglich ein Wort der Ursprungssprache durch ein Wort der Zielsprache ersetzen - Synonyme gibt es zuhauf, sodass man das richtige schon findet. Dass gute Übersetzungen allerdings nie nach diesem Prinzip funktionieren und neben der einfachen Übertragungsarbeit zugleich eine gewisse Eigenleistung des Übersetzers erfordern, verdeutlicht der Italiener Umberto Eco in seinem (populär-)wissenschaftlichen Buch "Quasi dasselbe mit anderen Worten. Über das Übersetzen".

Umberto Eco unterscheidet zwischen zwei Arten von Übersetzung: Übersetzung im engeren Sinne von einer Sprache in eine andere und "intersemiotische Übersetzung" von einem Zeichensystem in ein anderes. Im Laufe des Buches betrachtet er vorwiegend die erste Art von Translation, die angewendet wird, um Lesern fremdsprachige Texte zugänglich zu machen. Der Autor geht in erster Linie auf die Probleme von Übersetzungen ein, die Außenstehenden nicht zwangsläufig bekannt sein dürften. Diese Schwierigkeiten werden bereits auf der ersten Seite deutlich, denn schließlich lässt sich "it´s raining cats and dogs" schlecht wortwörtlich übersetzen mit "es regnet Katzen und Hunde", stattdessen steht im deutschen Text an dieser Stelle wohl eher "es regnet in Strömen" oder "es schüttet wie aus Eimern".

Mit zahlreichen Beispielen aus der Weltliteratur (z. B. Collodis "Pinocchio", Dantes "Himmlische Komödie", die "Vulgata" und Nervals "Sylvie") zeigt Umberto Eco in seinem Buch auf, dass Übersetzen zugleich stets eine Übertragung von einer Kultur in die andere bedeutet. Ist Literatur doch zu jeder Zeit ein Spiegel der Gesellschaft und der Kultur, aus der sie entstanden ist - besonders wenn Texte älterer Zeit in die moderne Sprache übertragen werden. Man denke etwa an die Schlegel-Tieck-Ausgabe der Werke William Shakespeares, die erst 180 Jahre nach dem Tod des englischen Dramatikers beendet wurde und sich sprachlich so einer anderen Zeit und einer anderen Gesellschaft anpasste.

Umberto Eco hat "Quasi dasselbe mit anderen Worten" aus drei Sichtweisen verfasst, die so dem Rezipienten ein schwieriges Thema zugänglich machen: als Autor von Romanen wie "Der Name der Rose", als Übersetzer von Raymond Queneaus "Exercices de style" und "Sylvie" von Gérard de Nerval sowie als studierter Semiotiker. Dem Rezipienten gewährt er auf diese Weise einen einmaligen Einblick sowohl in die aktuelle Semiotik-Forschung als auch in die Tätigkeiten von Autor und Übersetzer gleichermaßen. In einem "unakademischen Konversationston" beweist Umberto Eco, dass er nicht ohne Grund als einer der bedeutendsten Semiotiker gilt - schickt er den Leser doch auf eine Forschungsreise durch das Thema "Übersetzung", die mit einer gelungenen Mischung aus wissenschaftlich-theoretischem Wissen Ecos und erläuterten Textbeispielen unterschiedlichster Art Lust auf mehr macht. Das nächste übersetzte Buch wird dann sicherlich mit anderen Augen gelesen als noch vor der Lektüre von "Quasi dasselbe mit anderen Worten". Oder vielleicht nimmt man sich lieber doch das Original zur Hand?

Susann Fleischer
31.08.2009

 
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Das Buch:

Umberto Eco: Quasi dasselbe mit anderen Worten. Über das Übersetzen. Aus dem Italienischen von Burkhart Kroeber

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München: dtv 2009
464 S., € 14,90
ISBN: 978-3-423-34556-9

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