Wissenschaften

Der Prinzenraub auf aktuellem Stand der Forschung - Neuer Sammelband

Was sich in jener Nacht zum 8. Juli 1455 in Altenburg zugetragen hat, gilt als einer der spektakulärsten Kriminalfälle in der Geschichte Mitteldeutschlands. Der Raub der beiden Wettiner-Prinzen Ernst und Albrecht durch den Ritter Kunz von Kauffungen war ein Fanal, das bis heute an Spannung und Faszination nichts verloren hat. In Dutzenden Erzählungen wird die Geschichte seitdem auf verschiedene Weise interpretiert: Von der Romantisierung des gegen landesherrliche Willkür aufbegehrenden Ritters bis hin zum brutalen Gewaltakt. Das Buch «Der Altenburger Prinzenraub 1455» versucht nun eine Bewertung und Einordnung der Ereignisse auf dem aktuellen Stand der Forschung.

Der Band umfasst 16 Beiträge einer wissenschaftlichen Tagung zum 550-jährigen Jubiläum des Prinzenraubes im Jahr 2005. Dabei werden nicht nur das Geschehen jener Tage und dessen Folgen detailliert nachgezeichnet, sondern die Ereignisse in den historischen Kontext eingebettet und Vergleiche zu ähnlichen Konflikten jener Zeit angestellt. Zudem wird das Fehdewesen umfangreich erörtert, ebenso wie das soziale Umfeld des kühnen Entführers.

Der Dresdner Historiker André Thieme räumt klar mit der Verklärung von Kauffungens als Rebell für die ständische Freiheitauf: «Sein Scheitern ist nicht schicksalhaft, seine Hinrichtung kein Wetterleuchten einer modernen Zeit. Und in Kunz bäumte sich schon gar nicht ein ganzer Stand gegen sein Schicksal auf.» Vielmehr habe er kühl berechnend agiert, das Scheitern der Entführung sei nicht zwangsläufig gewesen.

Deutlich wird jedoch auch, dass ein solcher Akt der Selbstjustiz, wie er heute kaum nachvollziehbar erscheint, zu dieser Zeit nicht ungewöhnlich war. Die Fehde als «gewaltsame, aber regelgebundene rechtliche Selbsthilfe» war demnach weit verbreitet und galt als legitime Form um Konflikte auszutragen, wie die Gießener Historikerin Christine Reinle betont. Zu den Mitteln gehörten Raub, Brandstiftung und die Gefangennahme von Personen des gegnerischen Lagers. Zugleich wird hervorgehoben, dass von Kauffungen die Regeln der Fehde brach und damit letztlich Landfriedensbruch beging. Für diese Straftat wurde er auf dem Obermarkt in Freiberg hingerichtet.

Im Zentrum des Streits zwischen von Kauffungen und dem sächsischen Kurfürst Friedrich II. stand der Ort Schweikershain, heute im Kreis Mittweida (Sachsen) gelegen. Diesen hatte Kauffungen als Ausgleich für Schäden bei seinem Eintreten für den Kurfürst im Sächsischen Bruderkrieg (1446-1451) erhalten. Doch nach dem Friedensschluss der Brüder Friedrich und Wilhelm wurde ihm das Gut1451 wieder entzogen.

Der inzwischen hoch verschuldete von Kauffungen versuchte sich nun sein Recht zu verschaffen. Er habe bis zur Eskalation des Konflikts den für diese Zeit üblichen Rechtsweg bestritten, betont der Hallenser Professor für Bürgerliches Recht Heiner Lück. Dabei verweist er auf die Probleme des Schiedsverfahrens zur damaligen Zeit. So nimmt von Kauffungen, als ihm sein Scheitern bewusst ist, die beiden Prinzen als Geiseln, um den Kurfürsten zu erpressen.

Der Sammelband erweist sich als Schatzkiste für alle, die sich wissenschaftlich fundiert mit dem Prinzenraub befassen wollen.Interessant sind auch die Kapitel zur Rolle des Kunz von Kauffungen im Markgräflerkrieg (1449/50) und über die Rezeption des Prinzenraubes in der frühen Neuzeit. Den in der Geschichte weniger gut bewanderten Lesern geben die Herausgeber zudem Stammbäume von Friedrich II. und Kunz von Kauffungen sowie eine Karte des Herrschaftsgebietes der Wettiner um 1450 an die Hand.

Andreas Hummel
10.03.2008

 
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Das Buch:

Joachim Emig: Der Altenburger Prinzenraub 1455

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Beucha: Sax-Verlag 2007
424 Seiten, 29,80 Euro
ISBN: 978-3-86729-021-09

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