Hörbücher

Eine Quelle allen Übels

Ruth und Mark Ardingly, lassen aus gutem Grund ihr bisheriges Leben hinter sich. Mark war in London massiven, aber wohl unberechtigten Vorwürfen des Kinderpornographie-Besitzes ausgesetzt, so dass er und seine Frau sich trotz des Freispruchs entschieden haben, einen Neuanfang auf einem abgeschiedenen Landsitz mit 30 Morgen Grund und Boden zu wagen. Das Areal beherbergt eine geheimnisvolle Quelle, die aufgrund der in ganz England vorherrschenden Dürre eine besondere, weil überlebenswichtige Bedeutung bekommt. Im ganzen Königreich fällt kein Niederschlag mehr, doch sehr wohl auf dem Grundstück von Ruth und Mark.

Die Nachricht über diesen besonderen Flecken Erde nimmt natürlich rasch ihren Lauf und lockt Menschen jedweder Couleur an. Da gibt es die zahlreichen Neider, deren Existenz und Leben von der Dürre bedroht wird, fahrende Hippies oder vier Nonnen, die einer geheimnisvollen Sekte mit dem Namen "Die Rose von Jericho" angehören. Obgleich Ruth und Mark die schwierige Zeit während Marks Anklage erfolgreich gemeistert haben, bildet das neue Szenario auf dem Land eine ungleich größere Zerreißprobe für die beiden. "Die Rose" und ihre Schwestern beginnen Ruth sukzessive für sich einzunehmen und alles Männliche gegen diesen Verbund des Weiblichen auszuspielen. Leidtragende sind dabei Mark, aber auch Ruth‘ Enkelsohn Lucien. Eines Tages wird dieser tot aufgefunden und die Tat seiner Großmutter angelastet.

Die englische Schriftstellerin Catherine Chanter hat mit "Die Quelle" ihren ersten Roman vorgelegt und sogleich einige bedeutsame Preise eingeheimst. Diese Vorschusslorbeeren sorgten natürlich für eine enorme Erwartungshaltung auch hier in Deutschland. Neben der Buchausgabe wurde eine gekürzte Hörbuchausgabe produziert, die vom herausgebenden Argon Verlag mit einer speziellen Stimme versehen wurde. Keine der üblichen Verdächtigen wurde hier hinter dem Mikrofon platziert, sondern mit Gabriele Blum eine zwar erfahrene Sprecherin eingeführt, die aber bis dato nicht für die großen "Blockbuster" gebucht worden war. So hat man als geschultes Ohr zu Beginn auch ein wenig Mühe, mit der unbekannten Stimme warm zu werden, bis nach geraumer Zeit eine Verschmelzung zwischen dem Charakter der Ruth Ardingly und der Sprecherin stattzufinden scheint.

Die Autorin hat ihren Roman auf zwei verschiedenen Ebenen konstruiert. Zum einen wird die Geschichte von Mark und Ruth vor dem gewaltsamen Tode Luciens erzählt, zum anderen die Zeit danach, als die unter Arrest stehende Ruth in ihr Haus zurückkehrt und dort von Aufpassern begleitet die Wahrheit über den Mord an ihrem Enkel herauszufinden versucht. Zwischen diesen beiden Ebenen wird munter hin und her gewechselt. Dadurch ist dem Hörer bereits früh klar, worauf es in dem zeitlich zurückliegenden Erzählstrang letztlich hinauslaufen wird. Obgleich die Protagonistin Ruth als Ich-Erzählerin fungiert und sehr viel aus ihrem Inneren preisgibt, bekommt man keine Indikation, ob Ruth denn nun tatsächlich ihren Enkel ermordet oder doch jemand anders diese Gräueltat begangen hat.

Sprachlich ist Catherine Chanters Erstling sehr gelungen. Hier handelt es sich keineswegs um eine Autorin, die im Selbststudium das "creative writing" für sich entdeckt hat. Dennoch bleibt beim Hörer ein Gefühl des Unmuts zurück. Dass es einem nicht gelingt, für "Die Quelle" eine Genre-Schublade zu identifizieren, in die man das Gehörte ablegen möchte, ließe sich ja noch als Kompliment anführen. Doch man nimmt nach fast acht Stunden Laufzeit die sechste und letzte CD aus dem Player und grübelt darüber nach, wie man das Hörbuch denn bewerten möchte. Zwischendurch gehen einem die Schwestern der "Rose von Jericho" dermaßen auf den Keks, dass man das Hörbuch kurzerhand abbrechen möchte. Doch man entscheidet sich aus Neugier dafür weiterzuhören und ist dann wieder über die eine oder andere Wendung begeistert. Wer sich vom fiktionalen Plot zum Kauf hat bewegen lassen, der wird bei fortschreitender Handlung eventuell enttäuscht sein, wie eindimensional der eigentlich so gute Ansatz verfolgt worden ist.

"Die Quelle" ließe sich als Kammerspiel bezeichnen, da sich die gesamte Handlung auf dem Landsitz von Mark und Ruth abspielt. Die das ganze Land beherrschende Dürrekatastrophe und einzelne exemplarische Auswirkungen werden an die beiden Hauptdarsteller lediglich von außen herangetragen. Irgendwann gewinnt mit den Schwestern die Religiosität überhand, und zwar nicht nur über Ruth, sondern auch über die gesamte Erzählung. Der "Whodunit"-Charakter von "Die Quelle" hält einen allerdings letztendlich bei der Stange. Selten hat es ein Werk gegeben, das beim Rezipienten derart viele Emotionen ausgelöst hat und sogleich pure Ratlosigkeit über die simple Frage, ob einem "Die Quelle" denn nun gefallen habe oder nicht. Die Erklärung dieses Phänomens mutet beinahe ähnlich mysteriös an wie die Quelle selbst.

Christoph Mahnel
02.03.2015

 
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Das Buch:

Catherine Chanter: Die Quelle

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Sprecher: Gabriele Blum
Berlin: Argon Verlag GmbH 2015
Spieldauer: 468 Min., €19,95
ISBN: 978-3-839-81386-7

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