Hörbücher

Von Normannen und Rosenkriegern

Ingrid Krane-M?schen ist eine der erfolgreichsten deutschen Autorinnen historischer Romane. Sollte jemand dies bezweifeln, mag das daran liegen, dass er Frau Krane-M?schen nur unter ihrem Pseudonym kennt. Ungleich klangvoller unterschreibt sie ihre B?cher n?mlich als Rebecca Gabl?. Ihre Erfolgsstory begann vor knapp anderthalb Jahrzehnten, als sie mit "Das L?cheln der Fortuna" ihren ersten historischen "Schinken" vorlegte. Rebecca Gabl?s Werke unterliegen einem gro?en Suchtfaktor, und so bedeutet die oft vierstellige Seitenzahl stets, dass man sich als Leser f?r einige Zeit von der Au?enwelt verabschiedet und ins englische Mittelalter abtaucht. 

Sehr gerne greift man daher auf die konsumerfreundlicheren Lesungen ihrer B?cher zur?ck oder genie?t wie im vorliegenden Fall die Aufarbeitung als H?rspiel. Generell findet man auf dem deutschen Markt vorrangig H?rb?cher als Lesungen, w?hrend die Anzahl von H?rspiel-Produktionen nur einen geringen Prozentsatz ausmacht. Die Gr?nde daf?r liegen auf der Hand: Braucht man f?r eine Lesung in der Regel nur eine einzige Person, muss man bei der Inszenierung eines H?rspiels gleich eine ganze Schar von Sprechern engagieren und koordinieren. In der vorliegenden, zwei H?rspiele umfassenden Box waren f?r die sechs bzw. sieben CDs umfassenden Aufnahmen jeweils um die f?nfzig Akteure n?tig. 

In "Das Zweite K?nigreich" wird der Leser in die Zeit rund um die Schlacht von Hastings im Jahre 1066 zur?ckversetzt, bei der die Normannen das englische Festland eroberten und in der Folge mit William dem Eroberer den ersten Normannenk?nig stellten. Die Hauptfigur der Geschichte, C?dmon of Helmsby, ist zeit seines Lebens als Vermittler t?tig, zun?chst im Vorfeld der Schlacht zwischen den englischen Adligen und den Normannen, sp?ter zwischen William dem Eroberer und seinen unterjochten Landsleuten. C?dmons innerer Konflikt wird thematisiert, denn er ist hin- und hergerissen von seiner K?nigstreue zu William dem Eroberer und seiner eigenen Werte- und Moralvorstellung, was ihn sogar fast seine rechte Hand gekostet h?tte. Nat?rlich ist das Ganze auch mit einer Liebesgeschichte garniert. Als Engl?nder hat C?dmon lange auf einer Burg in der Normandie gelebt und dort seine gro?e Liebe kennengelernt, die aber bereits ein Versprechen gegeben hat, das C?dmon verzweifeln l?sst. 

Die Epoche in "Das Zweite K?nigreich" wirkt um einiges r?ckst?ndiger und rauher als diejenige in dem zweiten H?rpspiel der vorliegenden H?rbuch-Box: "Das Spiel der K?nige". Man merkt den Geschichten gut und gerne ihre 400 Jahre Zeitdifferenz an, was durchaus als Gabl?s Verdienst einer authentischen Schilderung der Gegebenheiten gutzuschreiben ist. 

"Das Spiel der K?nige" bildet den dritten Teil des Waringham-Zyklus und folgt auf die fr?heren Werke "Das L?cheln der Fortuna" und "Der H?ter der Rose". Die Handlung erstreckt sich ?ber den Zeitraum von drei?ig Jahren, spielt zur Zeit der Rosenkriege und ist folgerichtig mit vielen kriegerischen Aktivit?ten und Schaupl?tzen versehen. Im Mittelpunkt der Geschichte steht Julian of Waringham, der mit seiner Zugeh?rigkeit zum Hause Lancaster der roten Rose folgt und im Konflikt mit der wei?en Rose, dem Hause York, steht. Bereits Julians Vater war ein k?nigstreuer Gefolgsmann und obwohl Julian selbst vom aktuellen Lancaster-K?nig Henry VI. nicht viel h?lt und er nach dem Zerw?rfnis mit seinem Vater auch Abwerbungsversuchen durch das Hause York ausgesetzt ist, reift in ihm die Erkenntnis, doch dem eigenen Blut zu folgen. Er macht sich der Bedeutung seiner Geburt bewusst und ergibt sich seinem Schicksal. Anschlie?end vertritt er seinen Entschluss kompromisslos, selbst gegen eigene Zweifel. Wie auch in "Das Zweite K?nigreich" steht hier wiederum eine einzelne fiktive Person im Mittelpunkt der Geschichte, deren Gef?hle und Gedanken der H?rer durch das historische Hintergrundszenario verfolgt, wobei das st?ndige R?nkespiel zwischen Yorks und Lancasters den H?rer und seine Konzentration stark fordert, den ?berblick zu behalten. 

Die beiden H?rspiele bestehen sowohl aus Erz?hl- als auch Sprechszenen, wobei letztere deutlich ?berwiegen, da die Erz?hlparts nur ein- und ?berleitende Funktion genie?en, w?hrend die Handlungen g?nzlich durch die Sprechszenen abgedeckt werden. Aufgrund der gro?en Anzahl von Personen und deren Verflechtungen sind die vorliegenden Werke keine unkomplizierten Vertonungen, da sie eine hohe Aufmerksamkeit vom H?rer fordern. Dies wird durch die vielen markanten und mit hohem Wiedererkennunsgwert versehenen Stimmen unterst?tzt, dennoch f?llt die stimmliche Zuordnung bei der gro?en Anzahl an Akteuren nicht immer leicht. Die Protagonisten selbst sind dabei mit sehr sympathischen Stimmen besetzt, was das Zuh?ren angenehm gestaltet. Die durchg?ngige Hinterlegung mit mittelalterlicher Musik und mit f?r neuzeitliche Ohren unbekannten Kl?ngen wie denen des Lautenspielers schafft eine gelungene Atmosph?re, so dass man sich als H?rer in die jeweilige Zeit versetzt f?hlt. 

In beiden Geschichten, die den H?rer sowohl ins fr?he als auch ins ausgehende Mittelalter f?hren, findet Rebecca Gabl? einen guten Mix zwischen fiktiven Charakteren und historischen Personen, die mehr als nur Nebenrollen einnehmen. Gabl? wird nicht zu unrecht f?r ihre hervorragenden Recherchen gesch?tzt. Doch liefert sie dar?ber hinaus an manchen Stellen auch Ausschm?ckungen, die ?ber die Fakten der Geschichtswissenschaften hinausgehen. So schildert sie den unbekannten Verbleib der beiden im Jahre 1483 verschwundenen Eduard V. und Richard von Shrewsbury, die als "Prinzen im Tower" bekannt geworden sind, ausgeschm?ckter, als es Historiker in der Lage w?ren. Sie l?sst Mitwisser und sogar den T?ter unter der Hand berichten, wie die beiden erstickt und erschlagen wurden, und ihre Leser und H?rer damit mehr wissen, als man aufgrund der tats?chlichen Beweislage historisch belegen kann. 

Naturgem?? sind Geschichten aus dem Mittelalter mit vielf?ltigen Grausamkeiten durchsetzt und Mengen von Menschen werden in Kriegen wie selbstverst?ndlich abgeschlachtet, doch am Ende k?nnen sich H?rer und Leser sicher sein, dass Rebecca Gabl? in ihren Romanen ?hnlich wie Ken Follett den emotionalen Martyrien stets ein Happy End folgen l?sst. Wer sich dar?ber hinaus noch tiefer ?ber die historischen Hintergr?nde informieren m?chte, der kann nat?rlich auf ein mitunter schwerf?lliges Geschichtsbuch zur?ckgreifen oder auf Rebecca Gabl?s vor drei Jahren erschienenes Sachbuch "Von Ratlosen und L?wenherzen", das quasi als Nebenprodukt ihrer intensiven Recherche entstanden ist, sich als humorvoll geschriebens Sachbuch f?r die englische Geschichte des Mittelalters versteht und die Epoche von der Eroberung der Insel durch die Normannen bis zum Ende der Rosenkriege abdeckt. 

Christoph Mahnel 
26.09.2011

 
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Das Buch:

Rebecca Gablé: Die großen Hörspiele - Das zweite Königreich & Das Spiel der Könige

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Sprecher: Volker Lechtenbrink, Matthias Koeberlin, Udo Schenk, Max von Pufendorf, Hans-Michael Rehberg u.v.a.
München: Der Hörverlag 2011
Spielzeit: 790 Min., € 29,99
ISBN: 978-3-86717-775-7

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