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Neapel, 1990er-Jahre. Die 13-jährige Giovanna wächst wohlbehütet in einem bildungsbürgerlichen Elternhaus aus. Ihre Eltern Andrea und Nella sind beide Gymnasiallehrer und soziale Aufsteiger. Als wären die Veränderungen, die eine 13-Jährige in der Pubertät durchlebt, nicht schon schwierig genug, hört Giovanna eines Tages ihren Vater zu ihrer Mutter sagen, dass sie, Giovanna, ihrer Tante Vittoria immer ähnlicher werde. Ihre Tante kennt Vittoria allerdings mehr von Hörensagen, denn ihr Vater hat bisher alles daran gesetzt, seine Herkunft und damit seine gesamte Familie vor seiner Tochter und seiner Frau zu verbergen. Doch eines weiß Giovanna: Ihre Tante ist weder hübsch noch gebildet noch liebenswert.

Die Bemerkung ihres Vaters hat Giovannas Neugier geweckt. Sie macht sich - auch gegen den Willen ihrer Eltern - auf die Suche nach dem bisher unbekannten Teil ihrer Familie und möchte herausfinden, warum ihr Vater mit seiner Familie seit vielen Jahren zerstritten ist. Sie besucht Vittoria und lernt nicht nur einen ganz anderen Teil ihrer Familie, sondern auch einen anderen Teil von Neapel kennen, nämlich das Arbeiterviertel, dessen Bewohner schon an ihrem Dialekt erkennbar sind. Vittoria arbeitet als Putzfrau, hat nie die Schule abgeschlossen und fällt durch ihre resolute Art und ihre vulgäre Sprache auf. Sie hält auch nicht mit den Gründen für das Zerwürfnis zwischen ihr und ihrem Bruder hinter dem Berg.

Giovanna ist fortan hin- und hergerissen zwischen diesen beiden Welten, doch schnell erkennt sie, dass weder die eine noch die andere besser ist. Durch einen Zufall kommt nämlich ans Tageslicht, dass ihr Vater, der Giovanna immer als großes Vorbild galt, schon seit Jahren ihre Mutter betrügt - und das mit einer sehr guten Freundin der Familie. Die 13-Jährige verachtet seitdem sowohl ihren Vater, der über Jahre gelogen hat, wie auch ihre Mutter, die selbst nach dem Auffliegen des Verhältnisses ihres Mannes ihn weiterhin vergöttert und nicht loslassen kann.

In den knapp drei Jahren ihres Lebens, die das Buch umfasst, lernt Giovanna, dass es viele Arten von Lügen und Verlogenheit gibt. In all der Verunsicherung, die die Pubertät für sie mit sich bringt und die die beiden gegensätzlichen Pole in ihrer Familie verursachen, findet sie letztendlich ihren ganz eigenen Weg, mit Lüge und Wahrheit umzugehen.

Nach der äußerst erfolgreichen vierteiligen "Neapolitanischen Saga" wurde das neue Buch von Elena Ferrante mit Spannung erwartet. Die italienische Autorin, die unerkannt bleiben möchte und unter einem Pseudonym schreibt, hat sich zwar mit "Das lügenhafte Leben der Erwachsenen" nicht unbedingt auf neues Terrain begeben, aber wer schon die Geschichte um Lila und Lenu liebte, wird auch von Giovannas Coming-of-Age-Erzählung begeistert sein. Ferrante schreibt über das, was sie kennt: Neapel und die gesellschaftlichen Unterschiede, den sozialen Auf- und Abstieg.

Wie auch bei den vier Büchern der "Neapolitanischen Saga" konnte für den neuen Ferrante-Roman die Schauspielerin Eva Mattes als Sprecherin für die Hörbuchausgabe gewonnen werden. Wer bereits viele Hörbuchstunden mit ihr der "Neapolitanischen Saga" verbracht hat, fühlt sich schon nach den ersten Minuten von "Das lügenhafte Leben der Erwachsenen" dank Mattes wieder wie zu Hause - zu Hause in Neapel und zu Hause in der Sprache und der Welt Ferrantes.

Sabine Mahnel 
09.11.2020

Elena Ferrante: Das lügenhafte Leben der Erwachsenen. Aus dem Italienischen von Karin Krieger

Sprecherin: Eva Mattes München: Der Hörverlag 2020 Spielzeit: 697 Min., € 24,00 ISBN: 978-3-8445-3976-9

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