Hörbücher

Unter den Talaren - Muff von 1000 Jahren

Mitte der Sechziger Jahre wird in Düsseldorf ein totes Mädchen an der Ruine Kaiserswerth gefunden. Offensichtlich ist sie einem Gewaltverbrechen zum Opfer gefallen, das sieht selbst der Kriminalnovize Thomas Engel sofort. Doch seine Kollegen und Chefs sind eifrig bemüht, diesen Fall als Unglück abzutun. Ein entsprechendes ärztliches Gutachten, das einen Unfall bestätigt, ist rasch ausgestellt. Gerade erst hat sich Thomas nach Abschluss seiner Ausbildung in seinem Traumberuf eingefunden und erfährt sogleich diese maßlose Enttäuschung: Warum soll hier ein abscheuliches Verbrechen vertuscht werden? Thomas lässt nicht locker, doch wird er von seinem Chef, einem Nennonkel und Freund seiner Eltern, kurzerhand kaltgestellt. Um im Fall des toten Mädchens nicht weiter ermitteln zu können, wird er ins Archiv abkommandiert, um Akten zu ordnen. Dort allerdings trifft ihn der Schlag, als er zufällig auf einen Fall aus dem Jahre 1939 stößt, der dem aktuellen Fall wie ein Ei dem anderen gleicht.

Thomas Engel, der mit viel Idealismus und Naivität ausgestattete Nachwuchskommissar, arbeitet sich wie ein Besessener in die beiden Fälle ein und beginnt allmählich zu verstehen, warum einige hochrangige Personen ein Interesse daran haben könnten, den Tod der beiden Mädchen unter den Teppich zu kehren. Thomas stößt dabei auf Gräueltaten, die während des Zweiten Weltkriegs in Polen offenbar auch von seinem Vorgesetzten sowie seinem eigenen Vater begangen worden waren. Die eigenständigen Ermittlungen in einem braunen Sumpf, der zwanzig Jahre nach Kriegsende noch lange nicht trockengelegt ist, bringen Thomas in allerhöchste Lebensgefahr. Unterstützung erfährt er nur noch durch seine junge Freundin und deren Umfeld, nachdem er sich mit seiner Familie und dem Kommissariat überworfen hat und um sein Leben fürchten muss.

"1965 - Der erste Fall für Thomas Engel" lautet der Titel des ersten Falles für Thomas Engel, der passenderweise im Jahre 1965 spielt. Als Autor firmiert ein gewisser Thomas Christos, ursprünglich war dieses Pseudonym von den beiden Autoren Thomas Niermann und Christos Yiannopoulos für zwei Kinderbücher genutzt worden. Mittlerweile - und so auch beim vorliegenden Werk - steht nur noch der Anfang der Sechziger Jahre mit seinen Eltern aus Griechenland nach Deutschland ausgewanderte Christos Yiannopoulos hinter diesem Namen. Seit rund dreißig Jahren arbeitet Yiannopoulos sehr erfolgreich als Drehbuchautor, insbesondere einige seiner Fernsehkrimis haben Einschaltquoten in Millionenhöhe erzielen können. Diese berufliche Sozialisierung prägt auch "1965", da sich die sehr handlungsintensive Geschichte nicht mit Nebensächlichkeiten aufhält, sondern schnell durch die Sache getrieben auf den Punkt kommt.

Parallel zur Buchausgabe ist bei Random House Audio ein Hörbuch produziert worden, das auf sechs CDs eine auf knapp acht Stunden gekürzte Version zum Besten gibt. Als Sprecher fungiert Oliver Wnuk, bekannt als Ulf aus der TV-Serie "Stromberg", der sich jedoch glücklicherweise dezent im Hintergrund hält, um der Spannung freien Lauf zu gewähren. Sicherlich ist "1965" literarisch kein großer Wurf, doch wer darauf aus ist, einfach gut unterhalten zu werden, der ist bei diesem Serienauftakt bestens aufgehoben. Yiannopoulos hat sich für seine Story braune Machenschaften vor, während und nach dem Zweiten Weltkrieg ausgesucht und Elemente aus der "neuen Zeit" dazu gemischt. Lange Haare, Abzappeln zum Beat und die "Rolling Stones" waren sichtbare Zeichen für das Aufbegehren gegen die Elterngeneration und deren unveränderte Distanz zum Nationalsozialismus und dem Zweiten Weltkrieg.

75 Jahre nach Kriegsende lassen sich im Hier und Jetzt kaum noch Geschichten konstruieren, die einen vitalen Bogen in die Zeit des Krieges spannen. Es empfiehlt sich daher der im vorliegenden Fall angewandte Schachzug, die Handlung in eine kriegsnähere Vergangenheit zu verlagern. So hat sich der Autor Möglichkeiten geschaffen, Kriegshandlungen aktiv mit der Geschichte zu verquicken. Sicherlich hat Yiannopoulos darüber hinaus Elemente seiner ganz persönlichen Lebensgeschichte einfließen lassen, da er selbst im Düsseldorf der Sechziger Jahre aufgewachsen war und die Diskussionen um Langhaarige als kleiner Bruder eines solchen beobachten konnte. Die Reihe um Thomas Engel wird - so die Ankündigung des Autors - fortgesetzt. Ganz kreativ soll der zweite Teil dann den Titel "1966" tragen und im Jahr drauf dann aber nicht mehr in Düsseldorf spielen, sondern in Berlin, wohin es den Protagonisten zum Ende des ersten Falles verschlagen hat.

Christoph Mahnel 
22.06.2020

 
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Das Buch:

Thomas Christos: 1965. Der erste Fall für Thomas Engel

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Sprecher: Oliver Wnuk München: Random House Audio 2020 Spielzeit: 475 Min., € 20,00 ISBN 978-3-8371-5032-2

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