Bildbände

Eine Insel wie ein Ölgemälde

Eine Vulkaninsel im Eis, am Rande von Europa: Island ist für Naturromantiker ein unbegreifliches Faszinosum. Circa 330.000 Einwohner verteilen sich auf Reykjavik und einige kleine Städte, auf dem Rest der Insel regieren Naturphänomene wie Geysire, Vulkane oder ewiges Eis. Dennoch haben sich die Nachfahren der Wikinger zu einem stolzen Volk entwickelt, das immer wieder aufhorchen lässt. Zieht man die sportlichen Erfolge der Isländer heran, könnte man fast von einer europäischen Großmacht sprechen: Die Fußballer haben sich für die anstehende Europameisterschaft qualifiziert, im Schach weist Island die höchste Großmeisterdichte in der ganzen Welt auf, von den Handballern ganz zu schweigen, die seit jeher zur absoluten europäischen Spitze gehören. Einer der Ihren hat als Trainer gerade die deutsche Mannschaft zu höchsten europäischen Weihen geführt.

Was ist das Geheimnis dieser unvollendeten Insel, die einem Gemälde gleicht, welches wandlungsfähig wie ein Chamäleon daherkommt? Mit der Kamera hat sich der französische Fotograf Olivier Grunewald auf die Reise in den hohen Norden begeben, unterstützt von seiner Ehefrau, der Journalistin Bernadette Gilbertas. Den beiden ist es gelungen, die Schönheit und Vielfalt dieser einzigartigen Insel auf Zelluloid zu bannen und einer breiten Masse, die Island zeit ihres Lebens wohl nur mit dem Finger auf der Landkarte erleben werden, zugänglich zu machen. Es erscheint daher wenig verwunderlich, dass das dabei entstandene und vorliegende Werk "Island - Die unvollendete Insel" beim National Geographic Verlag erscheinen ist. Schließlich hat sich die 1888 gegründete National Geographic Gesellschaft einst auf die Fahnen geschrieben, die Geographie der Allgemeinheit nahezubringen.

Das Buch punktet als wahres Schwergewicht, und dies im wahrsten Sinne des Wortes: Mit knapp 2,5 kg Lebendgewicht kommt der Schmöker auf gut 250 Seiten daher. Thematisch haben Grunewald und Gilbertas ihr Werk getreu den Naturgegebenheiten gegliedert. Abgesehen von äußerst schlanken Einleitungen dominieren ausschließlich Bilder in den sechs zentralen Kapiteln um Eis, Eruptionen, Vulkane, Geysire, Wasser und Erosion, bevor sich die Autoren im letzten Fünftel ihres Buchs auf die Suche nach der Seele Islands begeben. Dazu haben sie Isländer unterschiedlichsten Standes zu ihrer Nation befragt, ob Fischer, Autorin, Landwirte oder gar die ehemalige Präsidentin Islands, Vigdís Finnbogadóttir, die anno 1980 zum ersten gewählten weiblichen Staatsoberhaupt der Welt aufstieg. Sie alle geben aus ihren unterschiedlichen Blickwinkeln dem Leser eine Idee vom Seelenleben Islands; mehr und mehr beginnt man zu verstehen, aber ohne es in Worte fassen zu können, was dieses Land und seine Leute so besonders macht.

Es dampft und blubbert, brodelt und spritzt in den Bildern des vorliegenden Buchs, dabei ist die Vielfalt der Farben genauso faszinierend wie die unterschiedlichen Aggregatszustände. Mal fließt die glühend heiße Lava durch das Buch, mal setzen Polarlichter die im Dunkel liegenden Gletscher in Szene. "Island - Die unvollendete Insel" lässt einen spüren, wie unbedeutend der Mensch im großen Spiel der Natur ist. Dennoch hat es das wackere Volk Islands geschafft, in diesen Breiten heimisch zu werden und dank der gewaltigen Energiequellen und der ergiebigen Fischgründe einen bedeutsamen Wohlstand zu erreichen. Man mag sich nicht vorstellen, welche Mühen und Geduld es gekostet haben muss, diese wunderbaren Momente abzulichten, die dafür sorgen, dass man das Buch an einem heimeligen Abend vor dem Kamin nicht mehr aus der Hand legen möchte: Ein Buch, das darüber hinaus zu einem unschlagbaren Preis feilgeboten wird. Kostete es zu seinem Ersterscheinen im Jahre 2011 noch knappe 50 Euro, ist es nun für den halben Preis zu haben. Günstiger kann man die Schönheit dieser Perle im Nordatlantik wahrlich nicht genießen.

Christoph Mahnel
29.03.2016

 
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Das Buch:

Bernadette Gilbertas, Olivier Grunewald: Island - Die unvollendete Insel. Aus dem Französischen von Sabine Lemmer-Brust und Jürgen Brust

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Hamburg: National Geographic Verlag 2016
256 S., € 24,99
ISBN 978-3-866-90243-5

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