Bildbände

Tournee eines Troubadours

Ella Fitzgerald, so ist überliefert, hat Hildegard Knef die größte Sängerin ohne Stimme genannt. Vergleichbares ist offenbar über den Rocksänger Udo Lindenberg nicht gesagt worden. Der Mann ist ein Symbol für die deutschsprachige Rockmusik. Wie er das geschafft hat? Vielen wird das immer schleierhaft bleiben. Sie haben mit dem "Nuschelfritzen" nichts am Hut. Apropos Hut: Die Kopfbedeckung ist ein Requisit der Marke, die der Musiker kreierte. Oder sollte Masche gesagt werden? Wie immer Udo Lindenberg gesehen wird - Wird er je gesehen, wie er ist? Wer ist er wirklich? Der, der im öffentlichen Scheinwerferlicht erscheint? Die einzige, eindeutige, endgültige Antwort gibt wer? Lindenberg?

Gewiss ist die Antwort nicht der Udo-Lindenberg-Bildband, der mit dem Zitat "Wir wollen doch einfach nur zusammen sein" und der Erklärung "Eine deutsch-deutsche Rockromanze" untertitelt ist. Anspruch und Absicht des Bandes sind damit deutlich formuliert. Der Anspruch eines Künstlers, dem Kunst stets mehr war als beliebige Unterhaltung. Seine Ambitionen waren unzweideutig, Botschafter und Brückenbauer zu sein, dem der zweite deutsche Staat, die DDR, kein Niemandsland war. Ohne von dem Land tatsächlich etwas zu wissen, drängte es den Rocker in die DDR. Das Drängen in die DDR ist das Thema des Buches. Das ist weder eine Bild- noch Text-Biographie. Es ist, wenn schon, die anschauliche Darstellung einer versuchten deutsch-deutschen Rockgeschichte. Romanze ist eher Verklärung denn gewesene Realität. Den wesentlichsten Teil des Bandes machen die Fotos der DDR-Tournee Lindenbergs im Januar 1990 aus.

Der Journalist Torsten Wahl, der das ergiebige Vorwort verfasst hat, nennt es den "größten Traum" Lindenbergs, seinen Fans in der DDR eine Konzerttournee zu liefern. Wieso es dazu dann doch nicht kam - trotz aller Ranschmisse des Musikus an den Staatsratsvorsitzenden der DDR -, listet Wahl ebenso auf wie den Soloauftritt des Sängers während eines Friedens-Gemeinschaftskonzerts im Oktober 1983 im Palast der Republik. Als Lindenbergs "Traum" wahr wurde, er auf die Bühnen der DDR stürmte, schlich sich die DDR gerade von der Bühne der Weltgeschichte. So denkwürdig die Zeitgeschichte jener Tage war, konnte natürlich nicht die Tournee des Troubadours sein. Dennoch schreibt Torsten Wahl in seinem wohlwollenden Vorwort: "Viele denkwürdige Momente jener Wochen und Monate sind in diesem Buch festgehalten." Nun ja!

Es ist nicht so, dass die Zeitgeschichte nicht in den Fotos von Herbert Schulze aufschimmert. Er ist, wie Wahl, das Kind einer ostdeutschen Provinz und kein Ignorant ostdeutscher Realität und der Reaktionen der Fans des Jahres 1990. Im Zentrum der Linse des Fotografen war jedoch stets nur der eine, der unvergleichliche Udo Lindenberg. Wer die Seiten nicht nur flüchtig umblättert wird nachdenklich gestimmt. Erstaunlich ist, was der Fotograf Herbert Schulze aus dem vom Hut verschatteten Gesicht des Sängers "herausgeholt" hat. Es ist nicht das Gesicht eines Gleichgültigen. Für alle, die ihren Udo Lindenberg ohnehin lieben, wird die jüngste Lindenberg-Publikation ein Labsal sein.

Bernd Heimberger
30.01.2012

 
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Das Buch:

Udo Lindenberg: »Wir wollen doch einfach nur zusammen sein«. Eine deutsch-deutsche Rockromanze. Mit Fotografien von Herbert Schulze

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Halle (Saale): Mitteldeutscher Verlag 2011
160 S., € 22,90
ISBN: 978-3-89812-845-2

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