Romane

Erzählkunst in ihrer Perfektion

Julia und Jacob Bloch, die mit ihren drei heranwachsenden Söhnen in Washington, D.C. wohnen, haben ein Problem. Um ehrlich zu sein: eher eine ganze Menge von Problemen. Jacobs hochbetagter Großvater soll ins Altersheim, will aber nicht; ihr ältester Sohn droht von der Schule zu fliegen, dabei wollen sie demnächst dessen Bar Mizwa feiern; und dann ist da noch ihr inkontinenter Hund, der für noch mehr Aufregung sorgt. Vier turbulente Wochen im Leben einer Familie in tiefer Krise. Julia und Jacob haben sich auseinandergelebt. Doch wie könnten sie sich trennen, ohne dass ihre drei Söhne darunter leiden oder gar sie selbst? Immer wieder diskutieren sie alle Szenarien durch, allerdings ohne Ergebnis. Die Scheidung scheint unausweichlich.

Während sich bei den Blochs die häusliche Krise immer weiter zuspitzt, dräut am Horizont ein globales Desaster: Ein katastrophales Erdbeben im Nahen Osten führt zu einem gewaltigen internationalen politischen Konflikt, der auch die Blochs im Kern trifft. Die Fragen "Was ist Heimat? Was bedeutet Zuhause?" stellen sich noch einmal ganz neu, auch für Jacob. Und weitere Fragen lassen Jacob plötzlich nicht mehr los: Wie können wir all die Rollen, die wir zu spielen haben, glaubhaft unter einen Hut bekommen? Wie gleichzeitig Sohn, Vater und Ehemann sein? Oder Mutter, Ehefrau und Geliebte? Erwachsener und Kind? Oder gar Amerikaner und Jude? Wie können wir wir selbst sein, wenn unser Leben doch so eng mit allen anderen verbunden ist?

Was für ein Lesewahnsinn! "Hier bin ich" gehört definitiv zu den Highlights in jedem Bücherregal. Jonathan Safran Foer schreibt so genial, dass es einen bereits ab dem ersten Satz nicht nur ein-, zwei- oder dreimal, sondern gleich mehrere Male hintereinander definitiv vom Hocker haut. Mit den Büchern des New Yorkers kriegt man Lesekino à la John Irving ("Gottes Werk und Teufels Beitrag", "Garp und wie er die Welt sah") in die Hand. Nach "Alles ist erleuchtet" und "Extrem laut und unglaublich nah" beweist Foer erneut: Er schreibt in einer anderen Liga als viele, sogar als die meisten seiner Schriftstellerkollegen. Seine Werke leuchten von innen heraus. Diese lösen unbändige Lesebegeisterung über viele, viele Stunden und Tage aus.

Jonathan Safran Foers Romane - ein einziger Leserausch. Nach nur wenigen Seiten von "Hier bin ich" ist einem ganz schwindelig. Denn selten findet man zwischen zwei Buchdeckeln solch meisterhafte, außerordentliche Literatur. Einfach zum Niederknien gut! Der US-Amerikaner ist einer der ganz Großen unten den Autoren unserer Zeit. Es gibt nur wenige brillante Geschichtenerzähler, wie er einer ist. Wow, wow, wow!

Susann Fleischer
19.12.2016

 
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Das Buch:

Jonathan Safran Foer: Hier bin ich. Aus dem Amerikanischen von Henning Ahrens

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Köln: Kiepenheuer & Witsch 2016
688 S., € 26,00
ISBN: 978-3-462-04877-3

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