Romane

Literatur , so sinnlich und verführerisch wie ein Tango

München im Frühling 1919: Nach all der langen Zeit des Kämpfens herrscht endlich Frieden im Land. Allerdings ist diese Ruhe von trügerischer Natur, wie die junge Lou (eigentlich Luise, aber Lou hasst ihren Geburtsnamen) schon bald feststellen muss. Als sie ihren Verlobten Curd in die Stadt schickt, damit er für ihr Mittagessen ein paar Lebensmittel besorgt, wird er das Opfer der politischen Wirren. Eine verirrte Kugel setzt seinem Leben ein jähes Ende und Lou droht an ihrer Trauer zu verzweifeln. Außerdem glaubt sie, dass sie allen Menschen, die ihr nahestehen, Unglück bringt. Und trotzdem stürzt sie sich in das Boheme-Leben der frühen zwanziger Jahre. Durch ihre Bekanntschaft und spätere Liebschaft mit dem wohlhabenden Geschäftsmann Ernst hofft sie ihren Schmerz vergessen zu können.

Weil Ernst verheiratet ist und Lou Angst hat, sie könnte die Gunst ihres Liebhabers verlieren, lässt sie sich auf einen folgenschweren Handel ein: Sie gibt sich als Tochter eines Kriegskameraden von Ernst aus. Er und seine Frau wollen sie als Mündel in ihre Obhut nehmen. Doch kaum steht Lou Hilde Hoffoldinger gegenüber, ahnt sie, dass diese Entscheidung ein Fehler war. Ernsts Gattin scheint zu wissen, dass Lou für ihren Mann weitaus mehr ist, als er ihr Glauben zu machen versucht. Stets muss Lou auf der Hut sein. Außerdem ist da noch Max. Max war Curds bester Freund. In seiner Nähe fühlt sich Lou sicher. Aber für die beiden gibt es keine Zukunft. Die Tragödie um Curds Tod steht ihnen im Wege. Und trotzdem kann Lou Max nicht vergessen, selbst dann nicht, als er nach Berlin geht ...

Heidi Rehn - eine Expertin, was historische Romane betrifft. Dank ihr erlebt man Geschichte(n) mit allen Sinnen. Allerdings lässt die deutsche Autorin in ihren Büchern nicht nur das Mittelalter wieder auferstehen, sondern zum Beispiel auch die Goldenen Zwanziger - und die in all ihrer Pracht. In "Tanz des Vergessens" wird das Lebensgefühl von einst wieder lebendig, ganz so als wären seit damals keine knapp 100 Jahre verstrichen. Hier wird Vergangenheit zur Gegenwart, jedenfalls für die Dauer von mehreren Lesestunden. Am Ende fällt es einem schwer, zurück in die Realität und damit in den Alltag zu finden. Die deutsche Autorin versteht es auf geradezu meisterliche Art und Weise, für ein Lesevergnügen à la Iny Lorentz und Co. zu sorgen. Ihre Geschichten dürfen in keinem Bücherregal fehlen.

Vor zwei Jahren erhielt Heidi Rehn den "Goldenen Homer"-Preis für "Die Liebe der Baumeisterin", den besten historischen Beziehungs- und Gesellschaftsroman. Und selbst Neider müssen nach dem Lesen von "Tanz des Vergessens" eingestehen, dass diese Frau richtig, richtig gut schreiben kann. Mit jedem ihrer Romane unternimmt man eine Zeitreise. Und dabei hofft man inständig, dass diese so schnell kein Ende nehmen wird. So auch dieses Mal wieder. Schade nur, dass bereits nach 560 Seiten Schluss ist mit diesem großartigen Leseerlebnis. Es hätte ruhig um einiges länger noch dauern dürfen.

Susann Fleischer
14.03.2016

 
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Das Buch:

Heidi Rehn: Tanz des Vergessens

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München: Knaur Taschenbuch Verlag 2015
560 S., € 9,99
ISBN: 978-3-426-51591-4

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