Romane

Ein ebenso kluger wie unterhaltsamer und humorvoller Roman über eine Familie und ihre eigenwillige Matriarchin , die gar keine sein will

Florence Gordon, New Yorker Intellektuelle und seit Jahrzehnten glühende Feministin, ist unverblümt, eitel, stolz - und eine ziemliche Kratzbürste, die fünfundsiebzig Jahre lang so gelebt hat, wie es ihr gefiel. Sie braucht keine Gesellschaft, die sie ohnehin nur von der Arbeit abhalten würde. Auf der Überraschungsparty zu ihrem Fast-Geburtstag bleibt sie für nur wenige Sekunden, obwohl extra zu diesem Anlass u.a. die Enkelin aus Seattle angereist ist. Kurz darauf steht auch schon Florence´ Sohn vor der Tür. Daniel hat sich seinen Urlaub von 21 Jahren genommen, um Zeit mit seiner Mutter zu verbringen. Das passt Florence überhaupt nicht. Will sie doch lieber in Ruhe ihre Memoiren schreiben. Keine leichte Aufgabe, wenn man eine Schwiegertochter zum Groupie hat.

Von heute auf morgen gerät Florence´ einst so beschauliches Leben aus den Fugen. Schuld daran sind nicht nur Daniel, seine Frau Janine und halbwüchsige Tochter Emily, sondern eine euphorische Rezension zu "Betrachtungen über Frauen", erschienen in der "New York Times"-Literaturbeilage. In der tauchen Formulierungen auf wie "nationales Kulturgut" und "unbesungene Heldin des amerikanischen Geisteslebens". Nur wenig später befindet sich Florence auf Lesereise quer durch die Staaten. Und man lädt sie zu Podiumsdiskussionen über die Rolle der Frau ein. Um eben für diese gerüstet zu sein, spannt Florence ihre Enkelin für die Recherchearbeit ein. Emily erinnert sie an sich selbst. Ganz wie ihre Großmutter ist sie beharrlich und kämpferisch, und lässt sich nichts sagen...

"Das Leben der Florence Gordon" - wahrhaft ein literarisches Juwel! Brian Morton ist eine Art männliche Virginia Woolf. Seine Geschichten lesen sich mindestens so amüsant und geradezu meisterlich wie die der bekannten Britin. Diese sind ohne jeden Zweifel das Schönste und einfach Beste, was man als Leser in die Hand bekommen kann. So wünscht man sich Unterhaltung: nämlich voller Emotionen und feinsinnigem Humor. Einmal mit der Lektüre begonnen, kann man gar nicht mehr aufhören. Und will dies auch nicht! Denn über viele, viele Stunden lang vergisst man die Welt um sich herum. Plötzlich scheint so etwas wie Zeit oder irgendwas anderes nicht mehr existent. So viel Lesegenuss findet man nicht alle Tage zwischen zwei Buchdeckeln. Nur ein Wort: grandios!

Mit "Das Leben der Florence Gordon" beweist Brian Morton, dass er ein Erzähler von Weltklasseformat ist. Er ist definitiv ein Meister seines Fachs und kann es sogar mit den ganz Großen, den Besten in der Literatur aufnehmen. Was ihm hier gelingt, ist ein Lesevergnügen à la "Ein Zimmer für sich allein" des 21. Jahrhunderts. Kein Wunder, dass man nach der Lektüre seiner Bücher ganz sprach-und auch atemlos ist.

Susann Fleischer
22.02.2016

 
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Das Buch:

Brian Morton: Das Leben der Florence Gordon. Aus dem Amerikanischen von Gesine Schröder

Berlin: Insel Verlag 2016
334 S., € 21,95
ISBN: 978-3-458-17649-7

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