Romane

Das Herz eines Boxers

Johann "Rukeli" Trollmann war einer der begabtesten und elegantesten Halbschwergewichtsboxer, die je einen Ring in Deutschland betreten hatten. Dass sich heute kaum einer an seinen Namen erinnert, liegt daran, dass Trollmann Sinto war und seine boxerische Blütezeit mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten zusammenfiel. Mit aller Gewalt versuchte der bereits von Nazis geleitete Boxverband Trollmanns Griff nach der Deutschen Meisterschaft zu verhindern. Trollmann verstand es dennoch, sich auf seine eigene und ganz besondere Weise zu wehren. Allgemeines Interesse wurde ihm jedoch erst wieder gegen Ende des 20. Jahrhunderts beschieden, nachdem sich Sporthistoriker dieses tragischen Falles annahmen.

Die studierte Politikwissenschaftlerin und Ethnologin Stephanie Bart erweist mit dem vorliegenden Buch "Deutscher Meister" Johann Trollmann eine ganz besondere Ehre. In Romanform erzählt sie den aussichtslosen Kampf dieses Ausnahmeboxers sowie von den feigen und fiesen Attacken der Schreibtischtäter aus dem Boxverband. Neben dem Erzählstrang um Trollmann und seine Familie bildet die Geschichte des namentlich nicht genannten Ersten Vorsitzenden das Rückgrat in "Deutscher Meister". Daneben finden noch einige weitere teils fiktive, teils mit historischen Personen versehene Handlungsstränge Berücksichtigung, beispielsweise mit den beiden Verkäuferinnen, die dem Sex-Appeal Trollmanns erlegen sind, Elly Beinhorn oder Trollmanns Gegner im Titelkampf.

Das gelungene Cover des Buchs zeigt einen Schattenriss Trollmanns, der mit einem Seil zur Bewegungslosigkeit verdammt ist. Dieses Gefühl der Machtlosigkeit Trollmanns unterstreichen die beiden Boxkämpfe, die den Kern des vorliegenden Buchs bilden. Am 9. Juni 1933, also gut fünf Monate nach Hitlers Machtergreifung scheint Trollmann am Ziel seiner Träume. Durch geschicktes Verhandeln seines Managers erhält er endlich das ihm eigentlich schon lange zustehende Recht, um die Deutsche Meisterschaft boxen zu dürfen. Gegen den schwereren Adolf Witt brilliert er dank seiner Leichtfüßigkeit, düpiert diesen ein ums andere Mal und siegt schließlich nach Punkten. Mit fadenscheinigen Begründungen erkennt der Boxverband Trollmann den errungenen Meistertitel jedoch einige Tage später wieder ab.

Die Nazis und die Verbandsoberen wollen den populären Trollmann dennoch unbedingt im Ring verlieren sehen. So wird nur einen Monat später ein Kampf gegen Gustav Eder anberaumt und kurzerhand werden einige Regeländerungen erlassen, die Trollmanns Stärken massiv beschneiden. Dieser weiß um die Aussichtslosigkeit seines Unterfangens und steigt "wohlpräpariert" in den Ring. Seine schwarzen Haare hat er für den Kampf blondiert, seinen dunklen Teint mit Puder aufgehellt. So lässt er sich als "germanisierter" Kämpfer vor den Augen der Nazis von seinem Gegner ausknocken.

Stephanie Bart beschreitet in ihrem Buch einen sehr an die realen Ereignisse angelehnten Weg und garniert diese lange Zeit unter den Tisch gekehrten Vorfälle mit einigen fiktiven Elementen aus dem Leben der breiten Masse. Besonders erwähnenswert sind Barts sehr präzise Schilderungen besagter Boxkämpfe. So begeistert sie den Leser über 80 Seiten lang mit den zwölf Runden zwischen Trollmann und Witt. Darüber hinaus schafft es die Autorin mit ihrem sehr eigenen Schreibstil einer allwissenden Erzählerin, innerhalb eines Satzes die Handlungen von drei oder vier verschiedenen Strängen parallel zu berichten.

"Deutscher Meister" trägt seinen Titel übrigens nicht zu Unrecht. Nach der nur wenige Tage dauernden Freude Trollmanns über diesen Titel wurde im Jahre 2003 Trollmanns Meistergürtel seinen Nachfahren überreicht. Stephanie Bart bedient mit ihrem Buch sowohl den Freund vergessener sportgeschichtlicher Tragödien wie auch denjenigen, der bis heute nicht verstehen kann, wie Deutschland innerhalb weniger Jahre vom nationalsozialistischen Gedankengut infiltriert werden konnte und Menschen zu Bestien hat mutieren lassen.

Christoph Mahnel
18.08.2014

 
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Das Buch:

Stephanie Bart: Deutscher Meister

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Hamburg: Hoffmann und Campe 2014
384 S., € 22,00
ISBN 978-3-455-40495-1

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