Romane

Angst essen Krone auf

"Divorced, Beheaded, Died - Divorced, Beheaded, Survived". Mit diesem Abzählreim lassen sich die Schicksale der sechs Ehefrauen des englischen Königs Heinrich VIII. leicht merken. Während seine wohl berühmteste Gemahlin Anne Boleyn sowie Catherine Howard geköpft wurden und Jane Seymour als dritte Ehefrau im Kindbett starb, kamen Katharina von Aragón und Anna von Kleve mit der Scheidung noch recht glimpflich davon. Aber einzig und allein Heinrichs letzte Angetraute überlebte die Ehe mit dem Tudor-König größtenteils unbeschadet: Catherine Parr.

Die englische Journalistin Elizabeth Fremantle hat dieser letzten Ehefrau Heinrichs VIII. das vorliegende Buch gewidmet: "Spiel der Königin" heißt der Roman über die Geschichte Catherine Parrs, die mit 31 Jahren als bereits zweifache Witwe an den Hof des Königs kommt und dort von diesem als Ehefrau Numero Sechs auserkoren wird. Früher schrieb Fremantle als Journalistin für Frauenzeitschriften wie "Elle" und "Vogue", nun hat sie sich für ihr Romandebüt die Epoche der Tudors als Schauplatz für ihre Geschichten entschieden. Ein gewagter Schritt, der ihr allerdings vollends gelungen ist.

Catherine Parr hat am Hofe sogleich ihr Herz verloren. Allerdings nicht an den König, sondern an dessen Schwager Thomas Seymour, den Bruder der verstorbenen Jane Seymour. Diese Liebe wird jedoch per Befehl vom König unterbunden und innerhalb kürzester Zeit wird Catherine durch die Heirat mit Heinrich zur Königin. Man schreibt das Jahr 1543 und Catherine verbleiben genau dreieinhalb Jahre bis zum Tode des Königs. Dreieinhalb Jahre, in denen Catherine eine emotionale Achterbahn mit vielen Hochs und Tiefs erlebt. Zwar ist sie für einige Monate in Heinrichs Abwesenheit sogar faktisch regierende Königin, doch die meiste Zeit ihrer Ehe verbringt sie in Sorge um ihr Leben. Da sie Heinrich keinen Thronfolger schenkt und sich auch in religiösen Fragen nicht auf Heinrichs aktuellem Kurs befindet, lebt sie in ständiger Angst, wie einige ihrer Vorgängerinnen zu enden.

Auf gut 400 Seiten lässt Fremantle das 16. Jahrhundert sehr eindringlich vor dem Auge des Lesers auferstehen. Zwar war die sechste Ehe Heinrichs VIII. vergleichsweise unspektakulär, doch gelingt es der Autorin, das Leben am Hofe, die verlangte Unterwürfigkeit einer Königin sowie die Gefahren, die von den Günstlingen des Königs ausgehen, sehr intensiv darzustellen. Neben der Erzählperspektive Catherines setzt sie dabei vor allem auf deren Kammerzofe Dot, die als kaum beachtete Person am Hofe des Königs ihre ganz eigene Sicht auf die Vorgänge hat.

Angst ist das vorherrschende Thema in der Ehe der Catherine Parr. Neben der ständigen Angst um das eigene Leben existiert die Angst in jeder kleinen Handlung, da jede unbedachte Aussage oder Geste in einem unangemessenen Kreis schwerwiegende Konsequenzen haben könnte. Doch Catherine Parr überlebt deswegen die Schreckensherrschaft Heinrichs VIII., weil sie sich hervorragend darin versteht, als ausgleichendes Element zu fungieren. Sie war es auch, die letztlich die beiden vom Vater verstoßenen Töchter Mary und Elizabeth zurück an den Hof holte, um schließlich die Familie zu vereinigen.

Die Autorin hält sich bei den handelnden Personen nahezu ausschließlich an historische Personen. Selbst für die Existenz der Kammerzofe Dot gibt es historische Indizien. Dennoch lässt Fremantle in "Spiel der Königin" vor allem die Emotionen regieren, die naturgemäß der Fantasie der Autorin entspringen und letztlich als Fiktion einzuordnen sind. Dies macht den vorliegenden Roman schlussendlich zu einem packenden Gesamtgebilde, nämlich einem historischen Roman, der in seinen Eckdaten jeder geschichtswissenschaftlichen Überprüfung standhält, aber durch die Gefühlswelt der Figuren zu einem packenden und für den Leser greifbaren Erlebnis wird.

Die Tudor-Epoche steht spätestens seit der opulenten Verfilmung mit Jonathan Rhys Meyers hoch im Kurs. In vier Staffeln waren die sechs Ehen des Königs mit großem Erfolg inszeniert worden. Aber auch zahlreiche andere Schriftsteller dieser Tage haben sich für dieses Hintergrundszenario begeistern können. Beispielhaft sei hier die sehr erfolgreiche Hilary Mantel angeführt, die mit ihren beiden Romanen "Wölfe" und "Falken" rund um die Figur des Thomas Cromwell zweimal den Booker Prize einstreichen konnte. Elizabeth Fremantle macht nun da weiter, wo die anderen Tudor-Inszenierungen aufgehört haben. Mit Catherine Parr und dem Ende Heinrichs VIII. hat sie ihr Debüt bestückt, ihr zweiter Roman, der dieser Tage im englischen Original unter "Sisters of Treason" erschienen ist, handelt von Lady Jane Grey, die im Spannungsfeld der beiden Töchter Heinrichs VIII. zur Neuntagekönig wurde.

Christoph Mahnel
14.07.2014

 
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Das Buch:

Elizabeth Fremantle: Spiel der Königin

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München: C. Bertelsmann Verlag 2014
448 S., €19,99
ISBN 978-3-570-10177-3

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