Romane

Das Schicksal von Blanche Wittman

Es ist eine beklemmende Geschichte, die Per Olov Enquist erzählt. Es geht – natürlich – um die Liebe, es geht um die Wissenschaft und es geht auch um ein Frauenbild, das uns heute erschreckt, auch wenn seit dem Geschehen gerade mal einhundert Jahre vergangen sind.

Blanche Wittman wird als Patientin, als "Medium", des Pariser Nervenarztes Jean Martin Charcot vorgeführt. Er beweist anhand der Frauen, die in der "Salpêtrière" dahinvegetieren, seine neurologischen Forschungen. Anhand von Experimenten "beweist" er, dass Frauen "auf Knopfdruck" in Zustände der Hysterie versetzt und ebenso wieder "wissenschaftlich kontrolliert" aus diesem Trance-Zustand geholt werden können. Die Frau und ihre Gefühle als Maschine und Spielball der Wissenschaft. Nach dem Tod Charcots kommt Blanche zu Marie Curie – in eine ganz andere Welt. Hier lernt sie eine Frau kennen, die unabhängig scheint. Curie ist weltweit anerkannte Wissenschaftlerin, Nobelpreisträgerin – und doch auch Gefangene ihrer eigenen Gefühle, der Liebe. Blanche, die "Königin der Hysterikerinnen", wird Assistentin bei Marie Curie und arbeitet in ihrem Labor bei der Erforschung des Radiums mit. Die Strahlung des Radiums macht sie krank – ihr werden letztlich beide Beine und ein Arm amputiert. Doch als "Torso" ist sie wacher denn je und analysiert ihre Umwelt genauestens. In einem "Fragebuch" zeichnet sie ihre Gedanken und Gefühle präzise auf.

Den Leser trifft das Schicksal von Blanche Wittman mit voller Wucht. In einer von den Männern absolut bestimmten Welt zeigt sie Stärke und fügt sich nicht in eine Opferrolle. Blanche – und auch Marie Curie – haben es schwer, ihren Weg in dieser Welt zu finden. Dennoch können sie lieben. "Amor Omnia Vincit": "Die Liebe überwindet alles" ist der Tenor des Buches. Mögen auch Professor  Charcot, Sigmund Freud oder August Strindberg in Blanche Wittman kaum den Menschen oder die Frau zu sehen, sondern ausschließlich das "Medium"; mag auch Marie Curie letztlich nicht aus ihrer "Rolle" auszubrechen, das Unerklärliche, die Liebe nämlich, zieht auch die beiden Frauen in ihren Bann.

In den Bestsellerlisten ist "Das Buch von Blanche und Marie" seit Wochen auf vorderen Plätzen vertreten – und das mit Recht. Per Olov Enquist hat Wissenschaftliches recherchiert und Mögliches konstruiert. Entstanden ist ein Roman, der voller Geheimnisse ist, der traurig macht und Mut gibt zugleich.

ker
15.04.2007

 
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Das Buch:

Per Olov Enquist: Das Buch von Blanche und Marie

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München: Carl Hanser Verlag 2005
239 S., € 19,90
ISBN: 3-446-20569-1

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