Romane

Ein Leben auf der Flucht

Dominic Baciagalupo lebt zusammen mit seinem zw?lfj?hrigen Sohn Danny als Koch in einem rustikalen Holzf?llerlager im Coos County, New Hampshire. Seine geliebte Frau hat er durch einen tragischen Unfall schon vor Jahren verloren, in seiner K?chenhilfe, die von allen nur Indianer-Jane genannt wird, jedoch eine neue Liebe gefunden. Die Sache hat nur einen Haken: Jane ist eigentlich mit Constable Carl liiert, dem fiesen Hilfssheriff des kleinen ?rtchens. Die "Letzte Nacht in Twisted River" birgt dann den entscheidenden Augenblick, der in John Irvings gleichnamigem Roman das Leben der Baciagalupos von jetzt auf gleich grundlegend ver?ndert: Danny h?lt die korpulente Indinaer-Jane, die ohne sein Wissen die Nacht im Schlafzimmer seines Vaters verbringt, f?r einen B?ren, der es auf das Leben des Kochs abgesehen hat, und erschl?gt sie mit einer gusseisernen Pfanne. 

Dominic beschlie?t daraufhin, Twisted River zusammen mit seinem Sohn zu verlassen, weil er f?rchtet, dass der j?hzornige Constable trotz aller Vorsichtsma?nahmen und der Beseitigung aller Spuren hinter seine Aff?re kommen k?nnte. Besonders der grobschl?chtige Ketchum, ein erfahrener Holzf?ller und sehr guter Freund der Baciagalupos, der das Herz am rechten Fleck und meistens auf der Zunge tr?gt, sorgt sich auf seine ganz eigene Art r?hrend um die beiden, da er sich aufgrund ihrer gemeinsamen Vergangenheit f?r das Wohlergehen des Kochs verantwortlich f?hlt. Immer wieder muss sich Dominic an anderen Orten eine neue Identit?t aufbauen, um zu verhindern, dass Carl Rache an ihm nehmen kann. Dass aus Danny im Laufe der Zeit ein gefeierter Schriftsteller wird, ist dabei aus nachvollziehbaren Gr?nden nicht gerade von Vorteil. Und all die Jahre hindurch gibt der Sheriff, den Ketchum immer im Auge beh?lt, die Suche nach seinem Kontrahenten nicht auf, nicht einmal das Alter kann ihn milde stimmen. 

John Irving ist ohne Zweifel einer der ganz Gro?en der internationalen Literaturszene. Warum das so ist, beweist er mit seinem mittlerweile zw?lften Roman einmal mehr. In "Letzte Nacht in Twisted River" begleitet er das Schicksal von Vater und Sohn ?ber f?nfzig Jahre hinweg und l?sst sie alle H?hen und Tiefen des menschlichen Daseins durchleben, Momente h?chsten Gl?cks, innigster Liebe und ersch?tternster Trag?dien - unterhaltsam und ernst in gleichem Ma?e. Irving ist bekannt f?r seine langen Romane, doch sein neues Werk ist so lebendig und feinsinnig geschrieben, dass seine L?nge kaum auff?llt. Dabei l?sst der Autor auf seinem Streifzug durch f?nf Jahrzehnte amerikanischer Geschichte kein noch so brisantes gesellschaftliches Thema aus. Hippiebewegung, Abtreibungsdiskussion und der Vietnamkrieg geh?ren genauso zum Leben der Baciagalupos wie die Terroranschl?ge vom 11. September 2001, wobei Irving nachtr?glich harsche Kritik an der Bush-Regierung ?u?ert, die er vornehmlich dem redlichen Ketchum unverhohlen in den Mund legt. 

"Letzte Nacht in Twisted River" ist ein Roman, der von R?ckblenden und niedergeschriebenen Erinnerungen lebt; den Erinnerungen des Schriftstellers Danny Baciagalupo alias Danny Angel. Wie John Irving beginnt auch er stets mit dem letzten Satz seiner literarischen Vorhaben, von dem aus er sich dann zum Anfang zur?ckarbeitet. Letztlich ?bertr?gt Irving die Autorschaft seines Romans somit einer seiner Hauptfiguren. Eventuellen Kritikern nimmt er damit von vornherein gekonnt den Wind aus den Segeln, denn auf m?gliche Schwachstellen weist er durch Gespr?che seines fiktiven Autors Danny Angel ?ber sein Tun als Schriftsteller schon im Roman selbst hin und erkl?rt deren Sinn. Ein meisterhaft inszenierter, facettenreicher Roman ?ber die Suche nach pers?nlichem Gl?ck und dem eigenen Ich! 

Christian G?tz 
26.07.2010

 
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Das Buch:

John Irving: Letzte Nacht in Twisted River. Aus dem Amerikanischen von Hans M. Herzog

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Zürich: Diogenes Verlag 2010
736 S., € 26,90
ISBN: 978-3-257-06747-7

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