Romane

Ein Buch über eine ungewöhnliche Freundschaft

Der niederländische Autor Maarten ´t Hart legt nach "Der Flieger" und "Der Psalmenstreit" mit seinem neuen Roman "Der Schneeflockenbaum" erneut eine atmosphärisch dichte Beschreibung der ihm vertrauten Landschaft und der Menschen seiner Heimat vor. Als großer Romancier der Moderne berührt er seine Leser mit einer unvergleichlichen Geschichte über Liebe, Freundschaft und Sehnsüchten, aber auch über Enttäuschungen, (emotionalen) Verrat und Misstrauen.

Der namenlose Ich-Erzähler lernt schon in jungen Jahren seinen besten Freund Jouri kennen. Statt wie die anderen Kinder die Nähe zum Erzähler zu meiden, der unter schweren Blähungen und unkontrollierbarem Stuhlgang leidet, freundet sich der Sohn eines verachteten Kollaborateurs aus Kriegszeiten mit dem Außenseiter an. Es entwickelt sich zwischen ihnen eine Freundschaft, die bis ins Erwachsenenalter anhalten soll und zuweilen für emotionalen Verdruss sorgt. Zum Leidwesen des Erzählers hat Jouri eine äußerst lästige Angewohnheit: Er spannt seinem besten Freund die Mädchen aus. Egal ob Ria, Wilma, Frederika oder Julia, jede Frau verfällt Jouris Charme und hinterlässt einen traurigen, von der Liebe zutiefst enttäuschten Erzähler. Doch trotz dieser Vertrauensbrüche seitens Jouris hält die Freundschaft auch solchen Stürmen gegenüber stand.

Erst an der Universität kehrt für den Erzähler eine Wende ein. Während Jouri sich der Mathematik verschreibt und mit Frederika einen festen Bund einzugehen gewillt ist, wählt der Erzähler einen anderen Weg: Er entscheidet sich für die Biologie, mit späterer Spezialisierung auf die Parasitenforschung. Doch dies soll nicht der einzige Unterschied zwischen den Freunden bleiben: Während sich Jouri den Genüssen des Lebens (und der Liebe) hingibt, zieht es den Erzähler unweigerlich zur Musik - insbesondere klassische Stücke von Bach und Mozart haben es ihm angetan. In der Werkstatt von Jouris Vater gibt er sich den Klängen dieser Musik hin, später lernt er Klavier spielen. Mit Katja, einer Flötenlehrerin, die er auf dem Piano begleitet, scheint der Erzähler nun auch endlich sein privates Glück gefunden zu haben: Sie verlieben sich und heiraten. Aus Angst vor einer erneuten Enttäuschung, versteckt der Erzähler seine Frau vor seinem besten Freund Jouri, der für ein Jahr im Ausland weilt. Und doch vermag nichts das Band der Freundschaft zwischen ihnen zu zerreißen, das trotz Zweifel und Misstrauen ein Leben lang halten soll.

Maarten ´t Hart malt mit "Der Schneeflockenbaum" ein eindrucksvolles und berührendes Gemälde von Land und Menschen nach, die in den Zwängen der (christlichen) Moral festzustecken scheinen und nur schwer ihren eigenen Weg in der Gesellschaft finden. Der Niederländer spricht in dem vorliegenden Roman von unglücklicher, verlorener Liebe, die das Herz über Stunden des Lesens hinweg zu bewegen vermag und dabei ein Gefühl von Melancholie, zugleich aber auch emotionalem Wohlsein hinterlässt - ein Widerspruch, der sich auch innerhalb der Handlung durch die 416 Romanseiten durchzieht, wie sich ein Hauch von Seide an den Körper zu schmiegen vermag. Kein Wunder also, dass man von dem Niederländer nie genug Bücher im heimischen Bücherregal stehen haben kann.

Susann Fleischer
06.04.2010

 
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Das Buch:

Maarten t Hart: Der Schneeflockenbaum. Aus dem Niederländischen von Gregor Seferens

München: Piper Verlag 2010
416 S., € 19,95
ISBN: 978-3-492-04634-3

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