Romane

Sind wir nicht alle ein bisschen Schnidt?

Wie in anderen Romanen von Susanne Fröhlich ist wieder einmal Andrea Schnidt die Hauptperson. Wieder einmal beziehungsweise immer noch ist sie auf der Suche nach mehr Abenteuer im ewigen Einerlei und mehr Abwechslung zum grauen Alltag als Ehefrau und Mutter. Was sie vermisst, ist das Außergewöhnliche, sogar ihre Probleme sind eher nichtig. Kurzweilig erzählt Andrea dem Leser mit viel Ironie und Witz von ihren alltäglichen Erlebnissen und teilweise wundersamen Gedanken.

Wie für viele Mütter gilt Ausmisten als eine von Andreas Lieblingsbeschäftigungen. Über das Wegschmeißen der Sachen erntet sie jedoch Unverständnis bei ihrer Freundin. "Schließlich könne man all die Dinge doch noch prima verscherbeln. Ich sah mich schon auf dem Flohmarkt stehen, bei leichtem Nieselregen und zwei Grad, mit anschließender Blasenentzündung und geschätzten sieben Euro Profit." Flohmarkt, das ist Schnee von gestern, wird sie aufgeklärt. Heutzutage gibt es eBay und tatsächlich erweist sich Andrea im Online-Verkauf als Naturtalent, das nach kürzester Zeit erfolgreich für halb Frankfurt Ware, darunter einige echte Herausforderungen, im Internet versteigert.

Damit hätte sie eigentlich schon genug zu tun. Ihre Freundin Annabelle fordert sie aber in regelmäßigen Abständen auf, teure, spirituelle Seminare zu besuchen, die alles andere als erfolgreich enden. Beim Channeling kommt Jesus in Eschborn vorbei, doch Andreas Empfang ist dafür blockiert, beim Rebirthing dagegen schlägt sie sich tapfer, hat jedoch Angst, noch im Uterus zu stecken, wenn sie ihren Mann zum Flughafen bringen muss.

Ihr Mann Christoph hat sich das ehrgeizige Ziel gesetzt, am New-York-Marathon teilzunehmen. Denn ungewöhnlicher Weise ist es in diesem Buch nicht die Frau, die Probleme mit ihrer Figur hat. Während sich Andrea lobenswerter Weise mit ihrem unperfekten Körper abgefunden hat, fängt die Zeit der körperlichen Problemzonen bei Christoph gerade erst an. Deswegen stürzt er sich in sein Sportprogramm und ist folglich noch weniger für die Familie da.

Dafür verbringt Andreas Vater Franz mehr Zeit mit seinen Enkelkindern: Er hat herausbekommen, dass seine Frau ein Verhältnis mit dem Gärtner aus dem Golfclub hat und steht eines Morgens mit Koffer vor Andreas Tür. Kurzerhand zieht Franz ein, um von nun an mit allen Nachbarinnen und Freundinnen seiner Tochter zu flirten.

Im Großen und Ganzen hält sich Andrea an die Rollen, die ihr als Mutter, Ehefrau, Tochter, eBay-Verkäuferin usw. auferlegt sind. Wir als Leser erfahren aber auch von ihren mentalen verbalen Ausrastern, die uns zum Lachen bringen und bei denen sich viele Rezipienten wieder erkennen werden. Umgangssprache und bildlichen Darstellungen verstärken den Eindruck: Andrea ist eine von uns.

Jennifer Mettenborg
19.10.2009

 
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Das Buch:

Susanne Fröhlich: Lieblingsstücke

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Frankfurt am Main: Fischer Taschenbuch Verlag 2009
288 S., € 8,95
ISBN: 978-3-596-17493-5

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