Romane

Der neue Hornby: Ausrangierte Rocker , Midlife-Crisis und Fan-Blogs

Nick Hornby, bekannt für seine Fußball- und Popmusik-Leidenschaft, die er schon in "Fever Pitch" und "High Fidelity" zum Ausdruck brachte, ist nach seinem Teenager-Roman "Slam" zurück mit einer Geschichte über Enddreißiger, die über verpasste Chancen, schal gewordene Beziehungen und Neuanfänge nachdenken. In seinem sechsten Roman erzählt der Engländer von ausgebrannten Musikern, besessenen Fans und wie das Internet nicht nur das Leben von Fans auf der ganzen Welt verändert hat, sondern wie die moderne Kommunikation auch unser aller Alltag und unsere Beziehungen verändern kann.

Die Museumskuratorin Annie lebt seit 15 Jahren mit dem Dozenten Duncan, einem besessenen Fan des Sängers Tucker Crowe, in einem kleinen Städtchen an der englischen Küste. Duncans Crowe-Besessenheit beherrscht nicht nur sein Leben, sondern auch das seiner Lebensgefährtin, die Crowes Musik zwar nicht schrecklich findet, ihn aber auch nicht so verehrt wie ihr Freund. Dessen Leben spielt sich nämlich hauptsächlich im Internet ab, wo er Teil einer Internet-Community ist, die sich tagtäglich mit der Musik und dem Leben von Tucker Crowe, der vor gut 20 Jahren plötzlich von der Bildfläche verschwunden ist, beschäftigt.

Als schon keiner mehr - auch die kleine eingefleischte Fangemeinde nicht - mit einer neuen Crowe-Veröffentlichung rechnet, kommt mit "Juliet, Naked" eine Demo-Version seines Albums "Juliet", einem seiner größten Erfolge, auf den Markt. Während Duncan eine Lobhymne auf die Rohfassungen der alten Songs im Internet veröffentlicht, muss er feststellen, dass seine Freundin ihrerseits auch eine Kritik ins Netz gestellt hat, die alles andere als ein Lobgesang ist.

Tucker, der seit zwanzig Jahren keine Songs mehr geschrieben hat und die Öffentlichkeit meidet, liest Annies Kritik im Internet und meldet sich daraufhin per E-Mail bei ihr. Die 39-Jährige, die festgestellt hat, dass sie sich nichts sehnlicher als ein Kind wünscht, ihre Beziehung zu Duncan sich aber schon vor Jahren von einer Liebesbeziehung zu einer Freundschaft entwickelt hat, entdeckt in ihrer neuen "Internetbekanntschaft" viele Gemeinsamkeiten. Tucker glaubt, genauso wie Annie, dass er viel zu viele Jahre seines Lebens vergeudet hat, ist aber so erstarrt in Reue und Angst, dass er keinen Mut findet, an seiner Situation etwas zu ändern.

Hornby ist ein fantastischer Beobachter, was ihm ermöglicht, den Alltag und die kleinen und großen Sorgen seiner Charaktere in seiner gewohnt lockeren Art darzustellen. Die Stärken des englischen Erfolgsschriftstellers und ehemaligen Lehrers liegen nicht in der Darstellung großer, spektakulärer Tragödien und Ereignisse, sondern glücklicherweise in der Schaffung herrlich unglamouröser und leicht schrulliger Charaktere. Seine Schilderung der Fan-Gemeinden im Internet und des Verhaltens eines obsessiven Fans wie Ducan könnten nicht treffender und wirklichkeitsgetreuer sein. Mit "Juliet, Naked" ist dem Briten wieder genau das gelungen, wofür seine Fans ihn lieben und immer lieben werden: ein Roman über das Leben eines Fans gepaart mit Liebe, Reue und der Angst vor dem Leben.

Sabine Mahnel
21.09.2009

 
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Das Buch:

Nick Hornby: Juliet, Naked. Aus dem Englischen von Clara Drechsler und Harald Hellmann

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Köln: Kiepenheuer & Witsch 2009
360 S., € 19,95
ISBN 978-3-462-04139-2

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