Romane

Beziehungsgeflecht aus Individualisten

Schon das Cover von Christopher Kloebles Debütroman "Unter Einzelgängern" lässt Komplexität und doch Schlichtheit erahnen: verschiedenartige und verschiedenfarbige Fäden in einem wirren, jedoch losen Knäuel vereint. Sie berühren sich, sind ineinander verwoben, und doch ist ihre Individualität immer noch genau zu erkennen. Diese Beschreibung trifft auch auf die Situation der vierköpfigen Familie in Kloebles Roman zu.

Die Mutter Angela, 45, stirbt bei einem Unfall in der Wohnung; sie rutscht aus und schlägt mit dem Kopf unglücklich auf den harten Boden. Die sichtbaren Überreste der Blutlache im Flur verdeckt die Familie nach ihrem Tod zwar mit einem Teppich, jedoch lässt sich die Erinnerung an diesen tragischen Schicksalsschlag damit nicht "unter den Teppich kehren".

Der Vater Erich, 56, leicht übergewichtig und herzkrank, verarbeitet den Tod seiner Frau, mit der er schon seit Jahren eine eher lieblose Ehe führte, auf seine ganz eigene Art und Weise: Er fängt an zu joggen – nicht zuletzt, um sich für seine neue Geliebte, die Wirtin von gegenüber, fit zu halten – und isst immer weniger, bis er einen Schwächeanfall erleidet und ins Krankenhaus eingeliefert wird.

Die Tochter Katrin, 19, hat gerade ihr Studium in München begonnen, stürzt sich immer wieder in unglückliche Beziehungen und hortet das Parfüm namens "en passant", das ihre Mutter (und auch sie) zuletzt benutzten, als könnte nur dieser Duft sie weiter am Leben erhalten.

Der Sohn Simon, 24, hat bei seinem Studium in Leipzig schon mehrere Studiengänge begonnen und dann wieder abgebrochen, bis er nun schließlich die Aufnahme in die Schreibschule geschafft hat. Das Schreiben ist für ihn ein Ventil. Mit dem Buch im Buch schreibt er (s)eine Familiengeschichte neu und versucht so, seine eigene Hilflosigkeit und seine Ängste zu überwinden.

Der Jungautor Christopher Kloeble, der für sein Debüt mit dem Literaturpreis der Jürgen Ponto-Stiftung ausgezeichnet wurde, schlüpft glaubhaft in die einzelnen Familienmitglieder und schildert ihre Sicht der Situation, ihre Ängste, Sehnsüchte und vor allem ihre ganz eigene Wahrheit. Herauskommt das Porträt einer Familie, die genauso viel trennt wie auch zusammenhält: vier Einzelgänger, die eine Familie bilden.

Sabine Mahnel
29.09.2008

 
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Das Buch:

Christopher Kloeble: Unter Einzelgängern

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München: dtv 2008
179 S., € 14,90
ISBN: 978-3-423-24665-1

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