Romane

Fantastisch - utopisch - gut

Mit "Der Ruf des Kriegers" präsentiert Kevin Herne den zweiten Teil seiner High-Fantasy-Serie "Fintans Saga". Dabei knüpft er direkt an die Ereignisse des ersten Bandes an. Die Geschichte erzählt einerseits der Historiker Dervan du Alöbar, der wider Willen zum Spion wird, und andererseits der Barde Fintan - allerdings aus der Sichtweise von wechselnden Charakteren. Hauptthema bleibt die Invasion von rätselhaften Knochengiganten, der sich gleich mehrere Völker der Welt Teldwen gegenübersehen. Aber da sind etwa auch utopische Entwürfe des Zusammenlebens und die Kapitänin Koesha Gansu, die eine gefährliche Seereise ins Unbekannte wagt. Doch nicht nur im Meer lauert der Tod.

Kevin Hearne legt die Sicht auf sein Universum noch breiter und vielschichtiger als beim Auftaktband an. Dabei lässt er seinen Geschichtenerzähler Fintan immer wieder zwischen einem Dutzend von Perspektiven wechseln und sich dabei regelrecht in den jeweiligen Charakter verwandeln. Seine Figuren kommen aus den verschiedensten Völkern und gehen dabei so unterschiedlichen Professionen wie Botschafterin, Linguist, Plagenbringer, Söldner oder Vizekönig nach. Damit entfernt sich der Autor teilweise von den klassischen Fantasy-Protagonisten, was eine Stärke des Romans ausmacht. Eine hilfreiche Orientierung bieten bei dieser Figurenvielfalt die vorne im Buch vorgestellte Liste der Dramatis Personae, welche allerdings nur die Hauptcharaktere abdeckt.

Dieses Mal geht der Blick auch immer wieder weg vom bekannten Kontinent und den etablierten Völkern und hin zu einer bislang unbekannten Region. Dabei sind längst nicht nur Kampf und Entdeckung das Thema. So rücken etwa gleich zwei post-monarchistische Entwürfe des Zusammenlebens ins Zentrum - was für die klassische Fantasy eher ungewöhnlich ist. Durchweg spielt die Magie - in Form der sogenannten Kennings - dank der dadurch gewährten Macht eine wichtige Rolle. Wenige Gesegnete können nämlich Wind, Wasser, Pflanzen, Tiere und Co beeinflussen. Für die übermäßige Nutzung zahlt der Anwender jedoch einen hohen Preis in Form seiner Lebenskraft. Das alles sorgt nicht nur für epische Aktion und Dramatik, sondern ist vom Autor auch sorgsam austariert und gut durchdacht.

Wie schon beim letzten Band zieht Kevin Hearne gegen Ende des Buches durch schnellere Perspektivenwechsel das Tempo an. Dieses Mal lässt er seinen Erzähler zusätzlich noch einige spannende Andeutungen bezüglich der Zukunft liefern. Auch deswegen dürften Fans dem dritten Teil der Serie entgegenfiebern.

Zu kritisieren bleiben eigentlich nur Details. So ist es nicht wirklich glaubhaft, dass der Barde Fintan wirklich auch die tiefsten Gedanken der Figuren kennen und erzählen kann, in deren Rolle er jeweils schlüpft. Hier wird dann doch eher der Geschichtenerzähler Kevin Hearne sichtbar, der seinem Publikum einen weiteren interessanten und vielschichtigen Charakter präsentieren möchte - was ja auch gelingt. Zudem agiert so mancher Antagonist bei genauer Überlegung etwas naiv.

Wer bereits den Auftaktband von "Fintans Saga" gemocht hat, wird "Der Ruf des Kriegers" lieben. Denn Kevin Hearne führt nicht nur die bekannten Geschichten stimmig weiter, sondern eröffnet Leserinnen und Leser auch eine noch breitere Perspektive. Dabei ist die Lektüre dank ungewöhnlichen und vielschichtig gestalteten Charakteren, Hearnes Händchen für spannendes Erzählen und des durchdachten Magiesystems fast durchweg ein Genuss.

Ingo Gatzer 
25.04.2022

 
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Das Buch:

Kevin Hearne: Der Ruf des Kriegers. Aus dem Amerikanischen von Urban Hofstetter

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München: Knaur Verlag 2021 672 S., € 16,99 ISBN: 978-3-426-52479-4

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