Romane

Ein literarisches Juwel, außerdem ein Plädoyer für (mehr) Menschlichkeit und wider das Vergessen

Berlin, 9. November 1938: Die 16-jährige Aliza Landau erwacht von durchdringenden Schreien, als ihr Großvater von der Gestapo abgeholt wird. In der Kristallnacht brennen die Synagogen, Tausende Juden werden verhaftet, misshandelt, getötet. Die politische Lage in Deutschland spitzt sich immer weiter zu. Doch entgegen aller Mahnungen weigert sich Alizas Vater, ein jüdischer Arzt, das Land zu verlassen. Nur seine Tochter will er im Ausland in Sicherheit bringen. Aliza bleibt keine andere Wahl: Sie wird mit einem der Kindertransporte nach England geschickt, während ihre Familie in Berlin zurückbleibt und dort schon bald schwere Zeiten durchzustehen hat. Auch um ihren Verlobten Fabian muss sich Aliza sorgen. Er wird zum Wehrdienst eingezogen, später an die Front geschickt.

Über Europa und die halbe Welt zieht eine dunkle Wolke des Nationalsozialismus. Mit dem Angriff von Hitlers Armee auf Polen verschärft sich die Situation der Landaus zunehmend. Juden sind immer mehr Unterdrückungen und Anfeindungen ausgesetzt. Alizas Vater droht ins Konzentrationslager deportiert zu werden. Noch aber bleibt ein Funken Hoffnung. Die Familie genießt den Schutz von Blockwart Karoschke. Der allerdings lässt sich für sein Handeln reichlich entlohnen. "Pro forma" wird ihm nicht nur das Anwesen der Landaus überschrieben, nach und nach gehen auch alle wertvollen Besitztümer der Arztfamilie in Karoschkes Besitz über und er bezieht mit Frau und Tochter die großzügige Wohnung. Karoschke scheint am Ziel angekommen, die Landaus hingegen kämpfen ums Überleben.

Von all dem ahnt Aliza in England nichts. Sie verdient ihre Almosen als Verkäuferin in einem Lebensmittelgeschäft. Bis der örtliche Pfarrer sie diffamiert und Aliza ihre Anstellung verliert. Verzweifelt versucht sie, die "stupid German", sich durch den Alltag zu kämpfen. Da lernt sie einen Lord kennen. Bei ihm findet sie ein Zuhause und in ihm einen Freund, der ihr stets beisteht - auch als Aliza eine Schreckensmeldung ereilt: Fabian, ihre große Liebe, gilt als vermisst. Aliza befürchtet das Schlimmste. Sie muss nach Deutschland, das durch die alliierten Bombenangriffen in Trümmern liegt ...

Unterhaltung von unfassbar berührender, unvergleichlicher Schönheit - ein Buch von Lilli Beck zu lesen, ist das größte Glück für jede Frau. Bei deren Lektüre verbraucht man unzählige Taschentuch-Packungen. Denn hier erfährt man Gefühlskino aus der Feder einer Meisterin ihres Genres. Beck kann schreiben, so mitreißend wie eine Kristin Hannah sowie ebenso fesselnd und herzzerreißend. Mit "Mehr als tausend Worte" bekommt man ein seltenes literarisches Juwel, außerdem ein Plädoyer für (mehr) Menschlichkeit und wider das Vergessen in die Hände. Was die Lektüre so besonders macht: dieser erschütternde Einblick in ein Stück deutscher Geschichte. Noch lange nach dem Weglegen des vorliegenden Buches hallt Aliza Landaus Schicksal im Kopf und im Herzen nach. Danke dafür!

Wie nur wenige andere Autorinnen beherrscht Lilli Beck die Erzählkunst auf höchstem Niveau. Sie schreibt solch betörend-schönste Literatur, dass einem ab der ersten Seite das Herz bricht. Ihre Romane sind ein Geschenk von größter Seltenheit, zudem ein wertvollster Schatz in jedem Bücherregal. In diesen steckt Poesie zum Niederknien. "Mehr als tausend Worte" bedeutet Lesegenuss, der einen nach nur wenigen Sätzen vollkommen gefangen nimmt und zu Tränen rührt. Seufz!

Susann Fleischer 
06.05.2019

 
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Das Buch:

Lilli Beck: Mehr als tausend Worte

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München: Blanvalet Verlag 2019 496 S., € 20,00 ISBN: 978-3-7645-0650-6

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