Romane

Ein Literaturhighlight, das alles andere zu überstrahlen vermag

Maxim ist sechs, als seine Großeltern und er die Sowjetunion verlassen, um in Deutschland ihr Glück zu suchen, aber vielleicht niemals zu finden. Sie hoffen auf ein zufriedeneres Leben fernab von Not und einem maroden Gesundheitssystem. Jedoch ist die neue Heimat insbesondere für Max´ Großmutter eine ziemliche Zumutung. Einst war Margarita Iwanowna eine gefeierte Ballerina, von aller Welt, oder zumindest in den Ostblockstaaten, bewundert und gefeiert. Inzwischen hat sie sich aufgegeben, ebenso ihre Träume von einem Dasein im Rampenlicht. Nun kümmert sie sich um ihren Enkel, von dem sie glaubt, er sei in jeder Beziehung unterentwickelt. Dabei beobachtet er das ganze Geschehen als kritischer Außenstehender, während Margarita blind ist für das, was hinter ihrem Rücken passiert.

Im Flüchtlingswohnheim hat Margarita ein hart-herzliches Terrorregime errichtet. Wenn sie nicht gerade gegen das deutsche Schulsystem, die deutschen Süßigkeiten oder ihre Mitmenschen und deren Religionen wettert, beschützt sie ihren einzigen Enkel vor dem schädlichen Einfluss der neuen Welt. Doch Max lehnt sich langsam, aber sicher gegen die Großmutter auf. Für ihn ist Deutschland die Chance, endlich ihrer Überfürsorge zu entkommen. Und nicht nur Max begehrt gegen Margaritas strenges Regiment auf, bleibt ihr allerdings in Liebe eng verbunden. Auch der Großvater flüchtet, ausgerechnet in die Arme einer anderen Frau. Margarita bekommt erst als Letzte mit, dass ihr Mann sich verliebt hat. Was für andere Familien das Ende wäre, ist für Max und seine Großeltern jedoch erst der Anfang ...

Literatur, die vom ersten bis zum letzten Satz restlos begeistert - einen genialeren Genuss als Alina Bronsky mit ihren Büchern gelänge höchstens noch den ganz Großen des Genres. Sie gehört zu den Ausnahmetalenten unter unseren Schriftstellern. "Der Zopf meiner Großmutter" darf in keinem Bücherregal fehlen. Die Story hat echt Bestsellerpotenzial! Denn zwischen zwei Buchdeckeln steckt ein Leseerlebnis, das einen noch mehr berauscht als Drogen. Sowie einen außerdem nachdenken lässt über den Wert "Familie". Bronsky sorgt für amüsanten Lesespaß mit jeder Menge Tiefgang. Ihre Werke sind ein Geschenk, deshalb besonders wertvoll. Dank diesen erfährt man Unterhaltung der schönsten, außerdem ungewöhnlicheren Sorte. Vor lauter Freude kriegt man sich nur schwer, eigentlich gar nicht mehr ein.

Alina Bronskys Schreibkönnen übertrifft fast alles. An ihre Erzählkunst reichen nur die wenigsten deutschen Autor(inn)en heran. Sie kann schreiben, dass einem ganz schwindelig wird. Es haut einen während der Lektüre ihrer Geschichten glatt aus den Socken. In ihren Romanen steckt Poesie, die mitten ins Herz trifft und es zu brechen droht. "Der Zopf meiner Großmutter" bedeutet ein Lesevergnügen zum Niederknien. Definitiv ein Juwel!

Susann Fleischer 
13.05.2019

 
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Das Buch:

Alina Bronsky: Der Zopf meiner Großmutter

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Köln: Kiepenheuer & Witsch 2019 224 S., € 20,00 ISBN: 978-3-462-05145-2

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