Romane

Eine Geschichte, die berührt, den Leser sogar erschüttert zurücklässt

Oberschlesien in den 1920er Jahren: Das Ehepaar Carl und Martha Strebel lebt mit seinen sechs Kindern in der Stadt Gleiwitz/Gliwice, westlich von Krakau. Polnische und deutsche Bürger leben Tür an Tür. Seit einigen Monaten gehört die Grenzstadt zum Deutschen Reich, aber viele fühlen sich noch immer polnisch. Carl Strebel ist "zuverlässig deutsch gesinnt". Er glaubt an die deutschen Werte und versucht seinen Kindern diese ebenfalls zu vermitteln. Da verliebt sich sein ältester Sohn Konrad ausgerechnet in eine Polin. Er und Paulina heiraten. Der Vater, tief verletzt vom Handeln seines Sohnes, verstößt Konrad aus der Familie. Nun soll Heinrich, der Zweitgeborene, die Familienehre aufrechterhalten. Blind für das Kommende tritt er der NSDAP bei und wird zu einem Vertrauten Hermann Görings.

Dann ist da noch Ida, die älteste der Strebel-Schwestern. Sie interessiert sich einzig und allein für Mode, Hedwig will Krankenschwester werden, die stille Klara geht noch zur Schule, und die quirlige Luise erkundet die Paulstraße gerade auf eigenen Beinen. Vor der Familie liegen gute, aber auch schwere Zeiten: ein Weltkrieg, die Nachkriegszeit, Ehen, Kinder und Tode. Insbesondere Luise hat es nicht leicht im Leben. Als sie mit siebzehn schwanger wird - noch dazu von einem Polen - zerbricht die Familie endgültig. Mit Töchterchen Traudel kommt Luise bei der lebenstüchtigen Krankenschwester Maria und ihren zwei Kindern unter. Krieg und Tod, Schrecken und Verlust setzen den Frauen zu. Aber sie lassen sich nicht brechen. Sie kämpfen, vor allem für ihr Liebesglück und für Frieden. Jede auf ihre Art.

So vergehen die Jahre zwischen familiären Kämpfen und Bombenangriffen durch die Alliierten. Als der Zweite Weltkrieg endlich vorbei ist, stehen Luise und ihren Geschwistern Zeiten der Entbehrung bevor. Und sie müssen flüchten. Die sowjetische Besatzungsmacht will Oberschlesien an sich reißen. Ohne Heimat und ohne Schutz versucht Luise verzweifelt, sich und ihre Tochter irgendwie durchzubringen. Ihre Geschwister derweil haben es auch nicht leicht. Heinrichs nationalistischen Überzeugungen drohen ihn ins Gefängnis zu bringen, Klara kümmert sich um den schwerkranken Vater und Ida ist hin- und hergerissen von ihren Gefühlen für eine Frau ...

Unterhaltung, die das Herz berührt - kaum eine andere Autorin steckt in ihre Bücher mehr Gefühl(e) als Dörthe Binkert. Ihre Werke zeugen von solch einer emotionalen Intensität, dass es einen glatt umhaut, wenn nicht gar die Sprache verschlägt. "Vergiss kein einziges Wort" gehört zu den Juwelen in jedem Bücherregal. Was man hier in die Hände kriegt, ist Literatur auf höchstem erzählerischem Niveau. Ab der ersten Seite zieht die Story einen in den Bann. Diese besitzt außerdem eine geradezu berauschende Wirkung. Nach nur wenigen Sätzen ist einem ganz schwindelig von diesem Leseerlebnis. Die deutsche Schriftstellerin verführt zu einem Lektürehighlight, das man sein Leben lang nicht mehr vergessen wird. Und ihr gelingt Poesie der schönsten Form, darüber hinaus ein wichtiges Zeitdokument.

Dörthe Binkert ist eine Geschichtenerzählerin von der Weltklasse einer Kristin Hannah. Ihre Romane bedeuten ein Lesegeschenk ohnegleichen. Diese nehmen alle Sinne restlos gefangen. Während der Lektüre von "Vergiss kein einziges Wort" verliert man sich vollkommen in Binkerts Worten. Ihre Schreibkunst fesselt einen über viele, viele Stunden lang. Über solch überwältigend-schönes Lesekino vergisst man die Welt um sich herum und auch das Atmen. Binkert schreibt sehr leidenschaftlich, aufwühlend, mitreißend, lebendig!

Susann Fleischer 
18.02.2019

 
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Das Buch:

Dörthe Binkert: Vergiss kein einziges Wort

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München: dtv 2018 672 S., € 22,00 ISBN: 978-3-423-28964-1

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