Romane

Ein Ereignis von einem Leseerlebnis

Osteuropa in näherer Zukunft: Die europäische Gemeinschaft ist zerfallen und wurde durch die Festung Europa ersetzt. Ihr gegenüber steht das diktatorisch geführte Reich, in dessen Protektoraten ein ganzes Heer von Internettrollen die öffentliche Meinung lenkt. Trolle beherrschen das Internet, lenken Meinungen, streuen emsig Fake News, kommentieren und hetzen. Zwei Freunde, der namenlose Ich-Erzähler und die drogenabhängige Johanna, entwickeln immer stärkere Zweifel und beschließen, das staatliche System der Fehlinformationen von innen heraus zu stören. Dabei geraten sie selbst in die Unkontrollierbarkeit der Netzwelt - und an die Grenzen ihres gegenseitigen Vertrauens, werden dabei selbst Opfer eines Shitstorms, der ihr Leben zu zerstören droht.

Der Held und Johanna lernen sich im Krankenhaus kennen. Sie versucht zum wiederholten Mal einen Entzug, während es auch um seine Gesundheit nicht zum Besten steht, denn seine Mutter glaubt an die Heilkraft von Homöopathie, Bioresonanztherapie und alternativer Medizin. Dumm nur, dass weder Vitamin C noch Eau de Javel gegen Angina und andere Kinderkrankheiten helfen. Er verbringt fünf Jahre im Hospital, bis es ihm langsam besser geht. Johanna ist schuld daran, dass es endlich mit seiner Gesundheit bergauf geht. Und sie ist der Grund, weshalb er immer öfter und viel zu lange im Internet herumstromert. Nach seiner Entlassung lässt er sich von einem Unternehmen voller Trolle engagieren, ohne zu ahnen, dass er demnächst zum verhasstesten Mann im Land wird ...

Literatur, die absolut preisverdächtig ist - Michal Hvorecky sollte ein Orden überreicht werden, denn er ist nicht nur ein Meister seiner Zunft, sondern auch ein Autor, der sich vor nichts scheut. Außerdem schreibt der Slowake in einer anderen Liga als viele, sogar die meisten seiner Schriftstellerkollegen. "Troll" wirft einen beängstigenden Blick in Osteuropas Zukunft, die dem Leser von Satz zu Satz mehr Furcht einflößt über die Dinge, die schon heute im World Wide Web im Gange sind. Nach der Lektüre scheint die Welt plötzlich vollkommen anders. Man wird sein Leben überdenken (müssen). Hvorecky verführt des Weiteren zu einem Lesegenuss, der seinesgleichen sucht. Dank ihm erfährt man Unterhaltung zum Niederknien gut. Seine Werke sind besonders wertvoll!

In seinen Romanen spart Michal Hvorecky nicht mit Gesellschaftskritik. Er wagt, auf höchst poetische Art und Weise, Missstände anzusprechen, während alle anderen über diese in jeder Hinsicht lieber den Mund halten. "Troll" soll den Leser aufwecken. Die Story warnt vor der Macht von Social Media, und das nur allzu deutlich. Nach dem letzten Satz wird man garantiert seinen Facebook-, Twitter-, Instagram-Account löschen. Denn die Realität spielt sich in der Welt außerhalb des Internets ab.

Susann Fleischer
08.10.2018

 
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Das Buch:

Michal Hvorecky: Troll. Aus dem Slowakischen von Mirko Kraetsch

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Stuttgart: Tropen Verlag 2018
215 S., € 18,00
ISBN: 978-3-608-50411-8

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