Krimis & Thriller

Die Rückkehr des "Nagelmanns"

Auf einer Militärschule in der Bretagne wird ein junger Rekrut getötet. Scheinbar ist ein intern geduldetes Initiationsritual aus dem Ruder gelaufen, in dessen Folge Wissa Sawiris sein Leben lassen musste. Zur Aufklärung des Falles, die möglichst geräuschlos von Statten gehen möge, wird Erwan Morvan aus Paris ins Finistère gerufen. Doch verlaufen die Nachforschungen vor Ort rasch im Sande, bis im Leichnam verdächtiges Beiwerk entdeckt wird, das dort zweifellos ganz bewusst platziert worden war. Bei seiner Rückkehr nach Paris wird Morvan sogleich mit dem nächsten Mordfall konfrontiert, der für ihn wie die Leiche in der Bretagne dieselbe und eindeutige Botschaft bereithält: Der "Nagelmann" ist zurück.

Erwans Vater, Grégoire Morvan, leistete Anfang der Siebziger Jahre im Auftrag des französischen Innenministeriums seinen Dienst im Kongo, wo eine Serie von Morden an jungen weißen Frauen für großen Aufruhr sorgte. Der Mörder drapierte seine Opfer mit allerlei Accessoires, unter anderem mit Nägeln, woraufhin von ihm nur noch als dem "Nagelmann" die Rede war. Unter Aufbietung aller physischen und psychischen Kräfte gelang es Morvan senior damals, den Täter dingfest zu machen. Nun scheint jemand im Hier und Jetzt den "Nagelmann" kopieren zu wollen, denn der Täter von einst war vor geraumer Zeit in seiner Haft verstorben. Doch die Hinweise, die sich Erwan offenbaren, sind viel zu eindeutig und lassen nur den Schluss zu, dass nach über vierzig Jahren Rache an der Familie Morvan verübt werden soll.

"Purpurne Rache" lautet der Titel des neuesten Thrillers des französischen Star-Autors Jean-Christophe Grangé. Hierzulande ist er insbesondere durch ein Werk aus seiner frühen Schaffenszeit bekannt: "Die purpurnen Flüsse" ist durch die Verfilmung mit Jean Reno in aller Munde gewesen. Grangé hat sich darüber hinaus in den vergangenen knapp zwanzig Jahren zu dem bedeutendsten französischen Thriller-Autor gemausert. Sehr oft bedient er sich bei seinen Geschichten fremdländischer Kulturen, die er geschickt in eine lokale Handlung vor Ort einfließen lässt. So auch im vorliegenden Fall, wenn der Leser in Rückblenden peu à peu davon erfährt, wie Grègoire Morvan in den letzten vier Jahrzehnten zu Ruhm und Ehre im Kongo gelangt war, aber auch zu sehr großem Reichtum.

Grangé zieht die Handlung in "Purpurne Rache" sehr breit auf. Auf mehr als 750 Seiten entfaltet sich seine Geschichte der Familie Morvan, die nach außen zwar sehr mächtig erscheint, nach innen jedoch hochgradig zerrüttet ist. Grègoire ist der klassische Familienpatriarch, seine Frau erträgt die Schläge ihres Mannes, Erwans Bruder Loïc funktioniert nur noch mit Drogen, seine Schwester Gaëlle prostituiert sich. Basierend auf dieser fragilen Familienkonstellation konstruiert Grangé verschiedene Handlungsstränge, wobei man sich als Leser im Laufe der Geschichte mehrfach fragt, ob denn am Ende tatsächlich alle Fäden zusammenführen und wirklich alle der insgesamt 147 Kapitel des Buchs, manche davon nur zwei oder drei Seiten lang, relevant sind. Dieser Aufbau sorgt dafür, dass man über die erste Hälfte des Buchs ein gewisses Stehvermögen aufbringen muss, bevor das Buch in der zweiten Halbzeit dann richtig Fahrt aufnimmt.

Dennoch spürt man von der ersten bis zur letzten Seite, dass in "Purpurne Rache" ein Meister seines Fachs Regie führt. Grangés Status im Thriller-Genre kommt schließlich nicht von ungefähr. Im allerletzten Kapitel wedelt er dann auch noch mit klaren Indizien herum, die auf eine Fortsetzung der Geschichte um den "Nagelmann" hindeuten. Tatsächlich ist "Congo Requiem" bereits in französischer Sprache erschienen, die deutsche Übersetzung wird wohl nicht lange auf sich warten lassen.

Hoffentlich einigt man sich beim herausgebenden Lübbe Verlag dann auch auf eine geistreichere Übersetzung des Titels als im vorliegenden Fall. "Lontano", so der originale Titel mit Anspielung auf diejenige Stadt im Kongo, in der alles seinen Lauf nahm, hat natürlich viel mit "Rache" zu tun, allerdings ist davon rein gar nichts "purpur". Hier scheint einfach nur marketingtechnisch eine Verbindung zu Grangés bekanntestem Werk, besagten Flüssen eben dieser Farbe, geschlagen worden zu sein. Doch wird man sich am Ende des Buchs nicht weiter darüber echauffieren, schließlich ist man wunderbar unterhalten und in Spannung versetzt worden. Gerne demnächst in einer Fortsetzung mehr davon!

Christoph Mahnel
06.02.2017

 
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Das Buch:

Jean-Christophe Grangé: Purpurne Rache. Aus dem Französischen von Ulrike Werner

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Köln: Lübbe Verlag 2016
768 S., € 26,00
ISBN: 978-3-431-03964-1

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