Krimis & Thriller

Kidnapping in Bombay

Indien ist eine Nation der Gegens?tze: der gr??ten Demokratie der Welt, Atommacht und Softwareschmiede stehen eine Analphabetenrate von ?ber vierzig Prozent und extreme soziale Klassenunterschiede gegen?ber. In diesem eigentlich un?berbr?ckbaren Spannungsbogen spielen die Kriminalromane des Briten Henry Reymond Fitzwater Keating (geb. 1926) um den bed?chtigen indischen Police Inspector Ganesh Ghote aus Indiens Metropole Bombay, die seit 2004 vom Z?richer Unionsverlag wieder in der deutschen ?bersetzung herausgegeben und dem interessierten Krimipublikum zug?nglich gemacht werden.

Nach Inspector Ghote zerbricht ein Ei und Inspector Ghote geht nach Bollywood ist jetzt der dritte Roman um den indischen Ermittler erschienen ? Inspector Ghote h?rt auf sein Herz. Schauplatz ist das Bombay der siebziger Jahre mit allen schillernden Facetten indischen Traditionsdenkens und kultureller Eigenheiten.

Der Name H. R. F. Keating ist den Krimilesern hierzulande nicht sehr pr?sent, da seine Werke lange Zeit nur noch antiquarisch erh?ltlich waren und nicht im deutschsprachigen Buchhandel verlegt wurden. Der langj?hrige Krimikritiker der ?Times? schrieb neben seiner drei Jahrzehnte umfassenden Romanreihe um Inspector Ghote zahlreiche weitere Kriminalromane. Nicht umsonst wurde er zweimal mit dem prestigetr?chtigen Golden Dagger der Crime Writer Association ausgezeichnet. Umso mehr k?nnen sich die Freunde der klassischen englischen Kriminalliteratur freuen, da? mit der Wiederver?ffentlichung einiger seiner Werke eine kleine L?cke geschlossen wurde. Gerade auch deshalb, weil die Inspector Ghote-Reihe eine interessante Erg?nzung zum klassischen englischen R?tselkrimi, aber auch zum durch Sozialkritik gepr?gten skandinavischen Krimi, darstellt.

Zur Handlung des Buches: Der sichtbare Kontrast zwischen extremer Armut und Wohlstand tritt schon auf den ersten Seiten zutage, als Inspector Ghote auf seinem Weg in das Polizeipr?sidium einem h?rtn?ckig bettelnden Jungen ein Almosen zusteckt und dabei vom Polizeipr?sidenten beobachtet wird. Diese Geste und Ghotes nicht unbedingt den g?ngigen Vorstellungen eines Polizeibeamten entsprechende ?u?ere Erscheinung sind die Gr?nde, warum ihn sein Vorgesetzter als Ermittler in einem heiklen Entf?hrungsfall einsetzt. Ghote sucht den reichen Fabrikanten Maribhai Desai in seinem luxuri?sen Penthouse auf, da dessen f?nfj?hriger Sohn nur um Haaresbreite einer versuchten Entf?hrung entkommen ist. Statt seiner wurde der gleichaltrige Sohn des Schneiders und somit ein Vertreter eines niederen Standes gekidnappt ? und das aus purem Zufall, da die beiden Kinder beim Spielen die Kleidung getauscht hatten. Diese Tatsache st?rt die skrupellosen Entf?hrer allerdings kaum. Sie fordern unger?hrt von Desai eine enorm hohe L?segeldsumme, die selbst f?r den reichen Fabrikanten ein riesiges Verm?gen darstellt, und drohen mit der T?tung der Geisel.

Inspector Ghote und der ?ber seinen Standesd?nkel springende Maribhai Desai sind sich einig: Man will wenigstens einen Teil der geforderten Summe bereitstellen und so auf die Forderung der Entf?hrer eingehen, um das Leben des Schneiderjungen Pidku zu retten und gleichzeitig jede Spur von den Entf?hrern unbemerkt weiterzuverfolgen. Als sich dann allerdings Ghotes unmittelbarer Vorgesetzter Superintendent Karandikar selbst in den Fall einschaltet und vehement Verhandlungen mit den Kidnappern ablehnt, spitzt sich die Lage immer mehr zu. Inspector Ghote f?rchtet zunehmend um das Leben des Schneiderjungen und ger?t in einen inneren Zwiespalt. Denn: Das Indien der siebziger Jahre, noch stark gepr?gt durch seine koloniale Vergangenheit, stellt die Befehlsgehorsamkeit nicht in Frage. Was aber tun, wenn das Vorgehen des Vorgesetzten in einer Frage von Leben oder Tod m?glicherweise verh?ngnisvoll enden kann?

Inspector Ghote ist ein wirklicher Sympathietr?ger in diesem Buch: er tr?gt diesen inneren Kampf zwischen Befehlsgehorsam und seinem mitmenschlichen F?hlen aus und entscheidet sich f?r einen Weg. Der mit gut 180 Seiten ?berschaubare und fl?ssig zu lesende Kriminalroman kombiniert ?berzeugend die notwendigen Erz?hlmuster eines Entf?hrungsfalles: telefonische Verhandlungen und psychologischen Kleinkrieg, verdeckte Ermittlungen und L?segeld?bergaben.

Da? Inspector Ghote permanent gegen ein zeitliches Ultimatum arbeiten mu?, wird in dem linearen Erz?hlflu? des Romans sp?rbar und treibt die Handlung immer wieder voran. Auch die Beschreibung der agierenden Personen ist angefangen beim in Gewissenskonflikten steckenden Inspector bis hin zum seine Sympathie f?r Schw?chere entdeckenden Gro?industriellen Desai glaubw?rdig. H.R.F. Keating schl?gt trotz des ernsten Themas einer Kindesentf?hrung in seiner Sprache den f?r die klassische englische Kriminalliteratur so typischen leisen und humorvollen Unterton an, ohne da? Szenen oder Personenbeschreibungen zur Karikatur mutieren w?rden. Der Appell an die Mitmenschlichkeit ist zwischen den Zeilen deutlich sp?rbar, tritt aber nicht plakativ an die Oberfl?che.

Im Anhang findet sich im Buch als Zugabe noch ein Interview mit dem Autor selbst, in dem auch einige Informationen zur Entstehung der Romanfigur Inspector Ghotes nachzulesen sind.

Hagen Stoll
03.01.2006

 
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Das Buch:

Henry R. F. Keating: Inspector Ghote hört auf sein Herz.

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Zürich: Unionsverlag 2005
191 S., € 9,90
ISBN: 3-293-20348-5

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