Krimis & Thriller

Mörderische Bretagne

Für gewöhnlich sterben Menschen in Kriminalromanen des Spannungsaufbaus wegen nacheinander, doch Kommissar Georges Dupin muss zu Beginn seines neuesten Falles drei Tote gleichzeitig aufnehmen. Auf einem kleinen Eiland der Glénan-Inseln liegen drei Männer, von denen zunächst weder Identität noch Todesumstände bekannt sind. Wie es sich für einen gescheiten Kriminalroman gehört, erhärtet sich durch stichhaltige Indizien rasch der Verdacht, dass die drei Toten nicht Opfer eines Unfalls geworden sind, sondern ihr Ableben einem Mord geschuldet war.

Die Identitäten werden von Dupin und seinem Team, das der Kommissar erstaunlich gut im Griff hat, ebenfalls recht schnell geklärt. Es handelt sich bei den Toten um Lucas Lefort, einen ehemaligen Admiral´s-Cup-Gewinner und zugleich arroganten Schnösel, der Pläne verfolgte, die Glénan-Inseln touristisch auszuschlachten, sowie um Yannig Konan, einen stinkreichen Investor und guten Bekannten von Dupins Chef. Der dritte im Bunde ist Grégoire Pajot, der Besitzer des Bootes, auf dem die drei Verblichenen in der Nacht ihres Todes in See stachen und ihr Verderben fanden.

Potentielle Mordmotive gibt es viele, da die drei Toten allesamt keine Sympathieträger waren. Waren etwa die touristischen Pläne von Lefort auf einen derart heftigen Widerstand der naturliebhabenden Bretonen gestoßen, so dass man ihm den Garaus machte? Oder kamen die drei den zahlreichen Hobbyarchäologen in die Quere, die im Umfeld der Glénan-Inseln immer noch auf fette Beute hoffen, da dort angeblich zuhauf versunkene Schiffe und Schätze auf dem Meeresboden lagern? Oder waren doch nur profane familiäre beziehungsweise zwischenmenschliche Motive für die Tat verantwortlich?

"Bretonische Brandung" ist der zweite Kriminalroman rund um Kommissar Dupin aus der Feder eines gewissen Jean-Luc Bannalec. Bereits im vergangenen Jahr, als Bannalec mit seinem Debüt "Bretonische Verhältnisse" einen großen Einstiegserfolg feierte, wucherten die Gerüchte um die wahre Identität des Autors. Ein Feuilletonist in der Zeitung "Die Welt" leitete einen Indizienprozess in die Wege, als dessen Conclusio sich zweifelsfrei ergab, dass es sich bei Jean-Luc Bannalec um den deutschen Verleger Jörg Bong handeln müsse. Bong selbst ist hauptberuflich als Geschäftsführer beim S. Fischer Verlag tätig und ob seiner Vita und Interessen durchaus prädestiniert, das Alter Ego Jean-Luc Bannalec zu bekleiden.

Der Autor scheint auf jeden Fall die Bretagne in allen ihren Eigenheiten abgöttisch zu lieben. So wie Bannalec über Menschen, Mythen und Delikatessen des nordwestlichsten Zipfel Frankreichs spricht, wird dem Leser Appetit gemacht, diese Region für seine nächsten Urlaubsziele zu berücksichtigen. Man erfährt in "Bretonische Brandung" viel über die Eigenarten der Einheimischen. Stets lässt der Autor kleine Exkurse zur schroffen Natur oder dem bretonischen Wesen einfließen, so dass der Leser am Ende eines Kriminalromans wieder ein kleines bisschen schlauer geworden ist. So folgt "Bretonische Brandung" nahezu unverändert dem Erfolgskonzept des Erstlings, indem nahezu die gleiche äußere Aufmachung und ein nur leicht modifizierter Titel den Wiedererkennungswert fördern. Warum auch etwas ändern, wenn es keinen Grund dazu gibt? Never change a winning team!

Die enorme Kaffeesucht des Kommissars ist in den drei Tagen, die Dupin für die Lösung des Falles benötigt, allgegenwärtig. Schließlich muss er hellwach sein, um die zahlreichen verschlungenen Fährten und Motive zu entwirren. Persönlich drängt und stresst ihn nämlich bereits der angekündigte und in wenigen Tagen beginnende Besuch seiner Mutter im bretonischen Exil. Keinesfalls ließe sich dieses Ereignis mit solch schweren Ermittlungen in Einklang bringen. Dazu nervt ihn sein penetranter und stressiger Chef, der Präfekt, wobei hierbei Dupin das poröse Handynetz auf den Glénan-Inseln durchaus in die Karten spielt. Nichtsdestotrotz ist das Mobiltelefon Dupins durchgängig genutztes Kommunikationsmittel, das ihn seine Mannen an den verschiedenen Einsatzorten dirigieren lässt.

Der Leser wandelt stets an Dupins Seite und ist somit auch Zeuge einer der schlimmsten Nächte in dessen Leben, als dieser nämlich den unberechenbaren Naturgewalten der Bretagne ausgesetzt ist und unter widrigsten Umständen auf den Glénan-Inseln übernachten muss.

"Bretonische Brandung" ist ein klug konstruierter Kriminalroman, der dem Leser einen liebevollen Einblick auf einen wundervollen Flecken Erde gibt. Jean-Luc Bannalec sorgt erneut für blendende Unterhaltung und nimmt den Leser gekonnt in Beschlag, bis der Fall gelöst ist. Dabei ist die Verwendung der Glénan-Inseln als Hintergrundkulisse für einen Kriminalroman nicht völlig neu. Bereits Schwedens Erfolgsautor Håkan Nesser hatte die Inselgruppe einst in seinem zweiten Barbarotti-Roman "Eine ganz andere Geschichte" als Terrain für Mord und Verbrechen zu schätzen gewusst.

Christoph Mahnel 
13.05.2013

 
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Das Buch:

Jean-Luc Bannalec: Bretonische Brandung. Kommissar Dupins zweiter Fall

Köln: Kiepenheuer & Witsch 2013
368 S., € 14,99
ISBN: 978-3-462-04496-6

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